Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Clara

Clara

Titel: Clara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
Vom Netzwerk:
sechs Jahren ein besonderes Erlebnis gehabt. Ihr ältester Bruder, der mit seiner Frau ebenfalls auf dem Hof lebte, war soeben Vater geworden, aber das Baby war schwer krank, und die Ärzte hatten es aufgegeben. An einem stürmischen Abend im März 1986 stand Clara, wie sie es oft tat, draußen auf dem Deich und betete um ihren kleinen Neffen. Und da erschien ihr die Jungfrau Maria und sprach zu ihr. Clara drehte sich um, ging ins Haus zurück, geradewegs zum Bettchen des Kindes. Sie nahm er heraus, badete es, wickelte es in ein Leintuch, bettete es in ihren Schoß und legte beide Hände auf das Köpfchen. Die Eltern ließen Clara gewähren, sie spürten die Kraft, die von ihr ausging. So saß sie mit dem Kinde bis zum Morgengrauen. Am nächsten Tag war der kleine Knabe gesund.
    Im Gruppenraum war es andächtig still. »Clara hat heilende Hände«, endete Stefan. »Die Gläubigen kommen zu ihr mit ihren Schmerzen, wenn sie die Hoffnung verloren haben.«
    Astrid war wie erschlagen. »Und das Kreuz?« fragte sie matt.
    »Ach ja, entschuldigen Sie. Danach hatten Sie ja gefragt. Claras Vater und ihre Brüder haben damals auf dem Deich an der besagten Stelle eine kleine Kapelle errichtet. Das Kreuz haben sie selbst geschnitzt. Es steht gleich hinter dem Albershof. Jeder könnte es Ihnen zeigen. Wir haben viele Pilger.«
    »Aber Clara gehört auch zu Ihrem Jugendkreis«, sagte Toppe.
    Alle nickten wieder.
    »Sie hat natürlich nicht immer so viel Zeit wie wir«, erklärte Natalie.
    »Da kommen öfter mal Leute zu ihr«, bestätigte Sebastian, »und sie ist auch viel in Altenheimen.«
    »Und heilt?« sah Astrid ihn groß an.
    Er lachte. »Weiß ich nicht. Ich glaube, sie verbreitet einfach Freude.«
    »Und Liebe«, sagte Meike sanft. »Clara ist so … na ja, eben Clara. Sie liebt einfach jeden Menschen, und sie hat immer gute Laune.«

    Toppe und Astrid standen unter der Straßenlaterne vor dem Pfarrheim und sahen sich an.
    »Ich hab zuerst gedacht, der wollte uns verscheißern, als der mit der Erscheinung anfing«, wunderte sich Astrid immer noch.
    »Nee, nee, das meinte der schon ganz ernst.« Toppe rieb sich die Stirn. »Ich glaube, damit hatte ich damals die größten Probleme, heilende Hände, dieser ganze Heiligenrummel, manche sind gleicher als die anderen, all das.«
    »Damals? Was hattest du denn damit zu tun? Ich dachte, du warst evangelisch und bist dann aus der Kirche ausgetreten.«
    »Ja, schon, aber zwischendurch war ich auch mal katholisch, ich bin konvertiert.«
    Sie fand erst mal keine Worte. »Wieso?«
    »Na ja«, meinte er. »Gabi war das schrecklich wichtig. Für sie kam nur eine katholische Hochzeit in Frage, und mir war’s im Grunde egal. Ich war nie religiös gewesen, und Kirche war für mich gleich Kirche. Später ist mir das dann alles auf den Geist gegangen, und heute denke ich manchmal, daß Gabi und ich uns oft einfach auch nicht verstanden haben, weil wir aus verschiedenen Ställen kamen, einfach nicht wußten, was der andere eigentlich meinte oder empfand.«
    »Hm.« Astrid sah an ihm vorbei. »Mir ist zu kalt zum Nachdenken. Gehen wir uns jetzt das Kreuz angucken?«
    »Nein.«
    »Und wir müssen auch unbedingt mit Clara sprechen. Die können uns doch viel erzählen!«
    »Morgen«, sagte Toppe, legte ihr den Arm um die Schultern und ging mit ihr zum Auto. »Hast du mal auf die Uhr geguckt?«
    »Ja, und? Sonst ist dir das doch auch egal.«
    »Das war mir egal. Ich habe am Wochenende viel nachgedacht. Ich hab einfach keine Lust mehr, dauernd im Dienst zu sein. Ralf Poorten bleibt immer gleich tot, ob wir seinen Mörder nun morgen, übermorgen oder nächsten Monat finden. Vielleicht finden wir ihn auch überhaupt nicht.«
    Sie blieb stehen und legte ihre Hand auf seine Wange. »Hee, was ist los?«
    »Gar nichts«, lächelte er in ihre Augen. »Ich will mich einfach nur nicht mehr ständig verantwortlich fühlen, ständig unter Druck. Und deshalb gehen wir beide jetzt in Ruhe was essen und lassen Arbeit Arbeit sein.«

17
    Der Hund schlug nicht an, er knurrte nur leise, als Christian durch das Hoftor kam. Es war stockfinster, nur bei Clara im Turmzimmer brannte Licht. Ob er es wohl bis da hoch schaffte?
    Er ging in die Hocke und tastete auf dem Boden herum. Kies war zu grob, am besten ging es mit Splitsteinchen, nicht zu groß und nicht zu klein. Ja, die hier waren nicht schlecht. Er füllte die linke Hand. Die günstigste Position war an der Scheunenecke, aber da stand auch die Hundehütte.

Weitere Kostenlose Bücher