Clara
noch?«
»Ja, ich hole mir die Erlaubnis, sämtliche Akten im Haus Barbara beschlagnahmen zu können, und dann lege ich denen morgen eine Zaubershow aufs Parkett.«
»Am Samstag?«
»Gerade am Samstag! Ich liebe Überraschungen. Du nicht?«
Astrid hatte ihre Zweifel. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Richter mitspielt. Die Verdachtsmomente sind doch ein bißchen arg dünn.«
Aber van Appeldorn grinste. »Kommt immer auf den rechten Zeitpunkt an. Mit dem Staatsanwalt habe ich schon gesprochen.«
»Dr. Stein«, tippte Heinrichs.
»Genau, und von den Richtern hat an diesem Wochenende Knickrehm Dienst, und zwar …« Er schob den Mantelärmel hoch und sah auf die Uhr. »Seit genau fünf Minuten.«
22
Der Rehrücken war ausgezeichnet gewesen und der Wein so gut, daß Toppe und Astrid beschlossen hatten, den Wagen später stehenzulassen und ein Taxi zu nehmen. Walter Heinrichs hatte sich beim Essen, wie erwartet, keine Bescheidenheit auferlegt, sich aber mit dem Trinken bisher zurückgehalten – er kannte Bonhoeffers Bestand an Wein- und Obstbränden.
Arend Bonhoeffer goß Kaffee und Cognac ein, legte Holz im Kamin nach, und setzte sich. »Anbetung des reinen Herzens, so, so. An eurer Stelle würde ich auf jeden Fall an den Leuten dranbleiben. Was die da treiben, ist zumindest grob fahrlässig. Sie können die Kinder nicht einfach so fasten lassen, ohne sich zu erkundigen, ob die auch alle gesund sind. Im übrigen kommt mir das alles bekannt vor. Die Tochter eines Kollegen ist vor Jahren zu ›Opus Dei‹ gegangen. Da laufen ähnliche Dinge: meditative Übungen, Geschlechtertrennung, sexuelle Enthaltsamkeit. Der Vater versucht immer noch, das Mädchen da rauszuholen, aber er hat keine Chance. ›Opus Dei‹ ist zwar offiziell eine katholische Laienorganisation, arbeitet aber mit denselben Mitteln wie eine Sekte. Die Jugendlichen müssen jeden Kontakt zu ihren Familien abbrechen, werden zur Selbstaufgabe getrieben. Es dauert gar nicht lange, dann kommst du von außen an die Kinder nicht mehr ran.«
»Ist da Geld im Spiel?« wollte Toppe wissen.
»Weniger, denen geht es wohl um Macht, die wollen in Schlüsselpositionen. Aber man fängt gerade erst an dahinterzusteigen.«
»Opus Dei«, murmelte Heinrichs. »Da habe ich es ja auch nicht so mit.« Dann hob er sein Glas und schnupperte hingegeben.
»Bist du eigentlich noch in der Kirche, Arend?« fragte Astrid.
Bonhoeffer schüttelte den Kopf. »Nein, das war ich auch nie. Ich denke, ich bin Agnostiker, wenn man schon einen Begriff dafür finden will.« Er lachte über Astrids erstauntes Gesicht. »Warum wundert dich das? Weil ich Bonhoeffer heiße?«
»Ja, dein Onkel ist doch wegen seines Glaubens im KZ hingerichtet worden.«
»In Flossenbürg, ja. Aber ich komme aus dem unorthodoxen Teil der Familie. Meine Mutter stammt aus einer Freidenker-Sippe, und mein Vater hat mit Freuden der protestantischen Tradition den Rücken gekehrt, als er sie kennenlernte. Mit Religion bin ich erst konfrontiert worden, als ich zur Schule kam. Da allerdings massiv, weil mich natürlich jeder Lehrer auf das Schicksal meines Onkels ansprach.«
»Und du hast nie Ärger damit gekriegt, daß du nicht in der Kirche warst? Ich meine, du arbeitest doch in einem katholischen Krankenhaus.«
»Ach«, meinte er, »bei einem Arzt sieht man schon mal großzügig über diesen Makel hinweg. Wenn ich allerdings Krankenpfleger wäre, dann hätte ich wohl kaum eine Chance auf eine Stelle gehabt.«
»Solche Geschichten hat mir meine Cousine auch erzählt«, nickte Astrid. »Die arbeitet bei der Familienbildungsstätte. Bei denen muß man katholisch sein, wenn verheiratet, dann kirchlich, und Geschiedene werden nicht eingestellt.«
»Oder bei Wiederheirat entlassen«, ergänzte Toppe. Heinrichs stellte sein Glas ab. »Was wollt ihr denn? Es wird doch kein Mensch gezwungen, in einer kirchlichen Einrichtung zu arbeiten.«
Toppe zuckte zusammen. »Da kriege ich schon wieder so einen Hals, Walter. Du weißt genauso gut wie ich, daß die in vielen Gegenden ein Monopol haben. Bei Kindergärten und Krankenhäusern, zum Beispiel. Guck dir doch mal den Niederrhein an!«
»Trotzdem, was ist so falsch daran? Wenn man sich deren Ziele anschaut«, entgegnete Heinrichs, aber Astrid unterbrach ihn: »Das mag sich naiv anhören, aber meiner Ansicht nach verstoßen deren Auflagen gegen das Grundgesetz, gegen die Menschenrechte.«
»Menschenrechte«, tippte sich Heinrichs an die Stirn. »Jetzt geht es
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