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Claraboia oder Wo das Licht einfaellt

Claraboia oder Wo das Licht einfaellt

Titel: Claraboia oder Wo das Licht einfaellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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hatte die Unterhaltung nur deshalb so begonnen, um nicht geradeheraus anzusprechen, weswegen sie gekommen war. In diesem Augenblick fiel Lídia ein, dass es fast vier Uhr war und sie aus dem Haus gehen musste.
    »Was hat dich dann heute hierhergeführt?«
    Die Mutter strich sich eine Falte im Rock glatt. Sie beschäftigte sich damit so konzentriert, als hätte sie die Frage nicht gehört.
    »Ich bräuchte etwas Geld …«, murmelte sie schließlich.
    Lídia war nicht überrascht. Genau das hatte sie erwartet. Dennoch konnte sie ihr Missfallen nicht ganz überspielen.
    »Jeden Monat kommst du früher …«
    »Das Leben ist nicht einfach, das weißt du …«
    »Schon gut, aber ich finde, du solltest etwas sparsamer sein.«
    »Ich bin ja sparsam, aber es ist immer so schnell weg.«
    Die Stimme der Mutter war ruhig, so als wäre sie sicher, dass sie erreichen würde, was sie wollte. Lídia sah sie an. Die Mutter hielt den Blick noch immer fest auf die Falte im Rock gerichtet und folgte damit den Bewegungen der Hand. Lídia ging aus der Küche. Sofort ließ die Mutter vom Rock ab und blickte auf. Ihre Miene drückte Zufriedenheit aus, die Zufriedenheit dessen, der etwas gesucht und gefunden hat. Als sie die Tochter zurückkommen hörte, nahm sie wieder ihre bescheidene Haltung ein.
    »Hier, nimm«, sagte Lídia und streckte ihr zwei Hundert-Escudo-Scheine entgegen. »Mehr kann ich dir jetzt nicht geben.«
    Die Mutter nahm das Geld, steckte es ins Portemonnaie und versenkte dieses tief in ihrer Handtasche.
    »Danke. Du willst also ausgehen?«
    »Ja, in die Baixa. Ich bin es leid, ständig zu Hause zu sitzen. Ich gehe Tee trinken und Schaufenster ansehen.«
    Die kleinen Augen der Mutter, starr und unbeweglich wie die Augen eines ausgestopften Tieres, ließen sie nicht aus dem Blick.
    »Nach meiner unwichtigen Meinung solltest du nicht zu oft ausgehen.«
    »Ich gehe nicht oft aus. Nur wenn mir danach ist.«
    »Nun ja. Aber das gefällt vielleicht Senhor Morais nicht.«
    Lídias Nasenflügel bebten. Langsam, in sarkastischem Ton, antwortete sie:
    »Du machst dir offenbar mehr Sorgen als ich, was Senhor Morais denken könnte …«
    »Es ist nur zu deinem Besten. Wo du jetzt dieses Verhältnis hast …«
    »Danke für deine Fürsorge, aber ich bin alt genug und brauche keine Ratschläge mehr. Ich gehe aus, wann ich will, und mache, was ich will. Ob es gut oder schlecht ist, muss ich selbst verantworten.«
    »Ich sage das, weil ich deine Mutter bin und möchte, dass es dir gutgeht.«
    Lídia lachte kurz gereizt auf.
    »Dass es mir gutgeht … Ob es mir gutgeht, das interessiert dich erst seit drei Jahren. Davor war es dir ziemlich egal.«
    »Das ist nicht wahr«, erwiderte die Mutter, abermals mit ihrer Rockfalte beschäftigt. »Ich habe mich immer um dich gekümmert.«
    »Meinetwegen. Aber jetzt kümmerst du dich viel mehr … Ach, lassen wir das! Ich habe nicht die geringste Lust, zu alten Zeiten zurückzukehren, als du dich nicht um mich gekümmert hast … Ich meine, nicht so sehr wie heute …«
    Die Mutter stand auf. Sie hatte erreicht, was sie wollte, und das Gespräch nahm eine unangenehme Wendung, da war es besser, sie ging. Lídia hielt sie nicht zurück. Sie war wütend, weil sie ausgebeutet wurde und weil die Mutter sich erlaubte, ihr Ratschläge zu geben. Am liebsten hätte sie sie in eine Ecke gedrängt und nicht gehen lassen, bevor sie ihr gesagt hatte, was sie von ihr hielt. All ihre Fürsorge, ihre Mutmaßungen, ihre Angst, Senhor Morais’ Missfallen zu erregen, waren nicht auf die Liebe zu ihrer Tochter, sondern auf die Sorge um den Erhalt ihrer monatlichen Unterstützung zurückzuführen.
    Mit noch immer vor Wut bebenden Lippen ging Lídia zurück in ihr Schlafzimmer, um sich umzuziehen und zu schminken. Sie wollte Tee trinken gehen und sich in der Baixa Schaufenster ansehen, wie sie gesagt hatte. Nichts harmloser als das. Doch die Andeutungen ihrer Mutter weckten in ihr fast den Wunsch, wieder das zu tun, was sie während so vieler Jahre getan hatte: sich mit einem Mann in einem möblierten Zimmer in der Stadt zu treffen, einem Zimmer für ein paar Stunden, mit dem unvermeidlichen Bett, dem unvermeidlichen Wandschirm, den unvermeidlichen Möbeln mit leeren Schubladen. Während sie die Creme im Gesicht verteilte, dachte sie daran zurück, was sich an jenen Nachmittagen und Abenden in solchen Zimmern abgespielt hatte. Und die Erinnerung stimmte sie traurig. Damit wollte sie nicht wieder anfangen.

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