Claraboia oder Wo das Licht einfaellt
konnte passieren, dass er sich über sie ärgerte und sie aufs Korn nahm. Mit seinen dreißig Jahren Erfahrung in der Firma wusste Anselmo sehr gut, was das bedeutete. Er wusste, dass ein in Ungnade gefallener Angestellter nie mehr den Kopf hob. Sein eigener Fall war der beste Beweis. Wie viele, jünger als er und erst nach ihm in die Firma gekommen, waren nicht an ihm vorbeigezogen! Fähiger waren sie nicht, dennoch stiegen sie auf.
»Ganz zu schweigen davon«, sagte er zu seiner Frau, »dass die Kleine an die Arbeit in ihrem früheren Büro gewöhnt ist und jetzt vielleicht Mühe hat, sich anzupassen. Sie war ja schon einige Zeit in dem Betrieb, und das zählt auch. Bei mir war es zwar nicht so, aber es gibt auch noch anständige Chefs.«
»Aber wer sagt dir denn, dass Senhor Morais kein anständiger Chef ist? Und vergiss nicht, dass wir gute Beziehungen haben! Dona Lídia setzt sich nach wie vor für Claudia ein, und Claudia ist nicht dumm …«
»Kein Wunder, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm …«
»Na siehst du …«
Aber Anselmo gab keine Ruhe. Er hatte größte Lust, seine Tochter der Verpflichtung zu entbinden, die sie, ohne ihn zu fragen, eingegangen war, doch tat er es nicht, weil er sah, wie begeistert sie von der neuen Arbeit war. Claudia hatte versichert, sie würde ganz intensiv Stenographie lernen und noch vor Ablauf von drei Monaten eine Gehaltserhöhung bekommen. Sie hatte es mit solcher Überzeugung gesagt, dass Anselmo seine Ahnungen für sich behielt.
Am Abend, während Rosália die Strümpfe ihres Mannes stopfte und Anselmo Namen und Zahlen, beide in Zusammenhang mit Fußball, in Reihen schrieb, beschäftigte sich ihre Tochter mit den Geheimnissen der Kurzschrift.
Anselmo gab es nicht zu, doch er war voller Bewunderung für die Fähigkeiten seiner Tochter. In dem Büro, in dem er arbeitete, konnte niemand Stenographie – es war ein altmodisches Büro, ohne Stahlmöbel, und erst vor kurzem hatten sie eine Rechenmaschine bekommen. Claudias Lernen belebte die Familienabende, und es herrschte allgemeine Freude, als sie dem Vater beibrachte, seinen Namen in Stenographie zu schreiben. Rosália wollte es auch lernen, aber bei ihr dauerte es länger, denn sie war Analphabetin.
Dann wandte Anselmo sich wieder seiner Beschäftigung zu: die Fußballnationalmannschaft aufstellen, seine persönliche Auswahl. Er hatte eine einfache, aber sichere Methode entwickelt. Als Torwart setzte er den ein, der im Verlauf der Meisterschaftsspiele am wenigsten Tore kassiert hatte; als Stürmer setzte er entsprechend die Spieler ein, die am meisten Tore geschossen hatten. Die übrigen Positionen besetzte er nach seinen Vereinsvorlieben und ging davon nur ab, wenn es sich um Spieler handelte, die den Zeitungsberichten zufolge unverzichtbar waren. Anselmos Arbeit war noch nicht beendet, denn die Positionen der Torschützen wechselten von Woche zu Woche. Da jedoch die Veränderungen, die er in einer von ihm selbst entwickelten Grafik aufzeichnete, nicht sehr plötzlich auftraten, glaubte er, die perfekte Mannschaft zusammenstellen zu können. Wenn er das geschafft hatte, blieb abzuwarten, was der Nationaltrainer tun würde.
Vierzehn Tage nachdem Maria Claudia bei Paulino Morais im Büro angefangen hatte, kam sie höchst zufrieden nach Hause. Der Chef hatte sie in sein Zimmer rufen lassen und sich lange mit ihr unterhalten. Über eine halbe Stunde. Er hatte gesagt, er sei zufrieden mit ihrer Arbeit und er hoffe, sie würden immer gut miteinander auskommen. Er hatte verschiedene Fragen zu ihrer Familie gestellt, ob sie ihre Eltern gernhabe, ob diese sie gernhätten, ob sie Not litten, und noch weitere Fragen, die sie aber schon vergessen hatte.
Rosália sah in alldem den wohltätigen Einfluss von Dona Lídia und sagte, sie werde ihr danken, sobald sie ihr begegne. Anselmo freute sich über das Interesse von Senhor Morais und fühlte sich geschmeichelt, als die Tochter ihm berichtete, sie habe eine geeignete Situation genutzt, um die Verdienste ihres Vaters als Büroangestellter anzupreisen. Anselmo liebäugelte schon mit der verlockenden Möglichkeit, in ein so bedeutendes Unternehmen wie die Firma des Senhor Morais zu wechseln. Damit würde er seinen jetzigen Kollegen richtig eins auswischen. Leider, hatte Claudia hinzugefügt, gab es keine freien Stellen und auch keine Hoffnung darauf. Für Anselmo war das nicht weiter schlimm. Das Leben hielt so viele Überraschungen bereit, da wäre es nicht
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