Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
Höhle verlassen und auf Raubzug gegangen waren. Und Wölfe griffen nur Menschen an, wenn sie vor Hunger kaum noch einen Ausweg wussten. »Deine Hunde hätten dich doch längst gewarnt«, beruhigte sie sich. Selbst hier unten hätte sie sie hören können. »Du bist nicht in Gefahr.« Entschlossen ging sie weiter. Sie war niemals ängstlich gewesen, nicht einmal als junges Mädchen, wenn sie mit ihrem Vater aufs Meer gefahren und in einen heftigen Sturm geraten war. Erst seitdem Frank Whittler sie in seinem fanatischen Hass verfolgt hatte, reagierte sie vorsichtiger. Auch jetzt noch, da er längst verurteilt war und viele hundert Meilen entfernt in einem Gefängnis in Vancouver saß, erschrak sie, wenn sie eine unerwartete Bewegung oder einen Schatten wahrnahm. Zu lange war sie vor ihrem rachsüchtigen Verfolger auf der Flucht gewesen. Damals hätte jeder Schatten und jede verdächtige Bewegung ihren Tod bedeuten können. Frank Whittler war ein skrupelloser Verbrecher, der in seinem verbohrten Hass keine Gnade kannte und wohl selbst hinter Gittern noch darüber nachdachte, wie er ihr schaden konnte.
Doch alle Befürchtungen waren bedeutungslos, als sie zu ihrem Blockhaus emporblickte und sah, dass nicht nur die zurückgebliebenen Huskys, sondern auch die Hunde ihres Gespanns vor dem Haus lagen und erfreut die Köpfe hoben, als sie die vertraute Witterung aufnahmen. Sie sprangen auf und begrüßten sie bellend, zerrten an ihren Ketten und konnten es gar nicht mehr erwarten, bis sie endlich das Haus erreichte. Noch bevor sie über die Schwelle trat, um Alex in die Arme zu schließen und sich bei ihm zu entschuldigen, musste sie Emmett ausgiebig zwischen den Ohren kraulen und jeden Husky streicheln und liebkosen. Als wäre sie ein Jahr von ihnen getrennt gewesen.
Mit einem leichten Drücken in der Magengegend betrat sie das Haus. Es war dunkel, und wäre nicht einiges von der roten Glut im Ofen nach außen gedrungen, hätte sie Alex vielleicht gar nicht bemerkt. Seine Haut schien in dem rötlichen Licht zu glühen. Er saß am Tisch, das Kinn auf beide Fäuste gestützt, und stöhnte leise. Das schwache Licht ließ die Schatten auf seinem hageren Gesicht und die Ringe unter seinen Augen noch dunkler erscheinen. Ob er tatsächlich geweint hatte oder der rötliche Schimmer in seinen Augen von der Ofenglut kam, vermochte sie nicht zu sagen. »Alex!«, flüsterte sie.
Sie setzte sich neben ihn und legte einen Arm um seine Schultern. Mit der freien Hand glitt sie über seine Bartstoppeln. »Alex! Es tut mir leid!«, sagte sie leise. »Ich wollte dir nicht wehtun. Aber auch auf mich ist in letzter Zeit einiges eingestürzt. Ich habe einfach die Nerven verloren, Alex. Tut mir leid.«
Alex schien sie nicht zu hören. Er starrte weiter aus dem Fenster, obwohl es dort kaum etwas zu sehen gab, und fragte: »Meinst du, das hört jemals auf? Ich meine, diese blöden Nachwirkungen, und dass wir uns gegenseitig anfauchen? Manchmal denke ich, es wäre besser gewesen, wir wären gar nicht zu diesem Wunderdoc gefahren. Dann hättest du keinen Ärger mehr mit mir.«
»Rede nicht solchen Unsinn!«, wies sie ihn sanft zurecht. Sie ließ ihre freie Hand auf seiner Wange liegen und küsste ihn auf den Mund. »Ich bin froh, dass du wieder bei mir bist, Alex. Ich wage gar nicht daran zu denken, was passiert wäre, wenn ich ohne dich …« Sie wagte nicht, den Gedanken zu Ende zu führen. »Wir gehören zusammen, Alex! Ich liebe dich über alles, und wenn die Nachwirkungen noch eine Weile anhalten und du die Nerven verlierst und aus der Haut fährst, werde ich’s überleben.« Sie küsste ihn wieder, diesmal intensiver. »Ich reiße mich zusammen, okay? Das nächste Mal, wenn ich aus der Haut fahre, fälle ich ein paar Bäume oder fahre mit dem Schlitten so lange durch die Gegend, bis ich erschöpft in den Schnee falle.«
Alex konnte schon wieder lächeln. »So wie ich heute?«
»So wie du«, erwiderte sie sanft. Sie zog seinen Kopf vorsichtig zu sich heran und spürte, wie sein Atem ihre Lippen streifte. »Du bist gesund, Alex! Du bist außer Lebensgefahr! Eigentlich sollten wir vor Freude im Kreis springen. Mach dir keine Sorgen wegen der Nachwirkungen, die sind in ein paar Tagen vorbei, und wenn es noch zwei Wochen länger dauert, ist es auch egal. Unsere Liebe ist stark genug.« Sie verriet ihm nicht, dass die Kopfschmerzen vielleicht länger bleiben würden. »Nimm mich bitte einfach in den Arm, Alex.«
Im Bett schmiegte sich
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