Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
und auch auf Dolly, wohl wissend, dass es noch ein oder zwei Stunden dauern konnte, bis sie eintrafen. Ungeduldig spähten sie die Hauptstraße hinab. Doch weder der dritte noch der vierte Musher war einer ihrer Favoriten. Erst eine halbe Stunde später, als der aufgeregte Beifall der weiter nördlich wartenden Zuschauer die Ankunft eines weiteren Mushers ankündigte, wurden sie fündig. Aber keiner der beiden Männer, sondern Dolly Kinkaid überquerte zu ihrer großen Überraschung die Ziellinie und fiel vor Müdigkeit und Erschöpfung beinahe von den Kufen.
Sie waren sofort bei ihr und schlossen sie in die Arme. Jemand reichte ihr einen Becher mit heißem Tee, und sie nahm einen gierigen Schluck. Überglücklich sank sie neben ihren Huskys in den Schnee und liebkoste Rusty, der anscheinend über sich hinausgewachsen war und Dolly, die kaum trainiert hatte, einen außergewöhnlichen fünften Platz eingebracht hatte. Das hatte inzwischen auch ihr Mann erfahren, der mit sechs oder sieben anderen Iren aus einem der Saloons gerannt kam, sie vor den begeisterten Leuten in die Arme nahm und ihr einen schmatzenden Kuss verpasste. Einer seiner irischen Freunde reichte ihr eine Flasche Whiskey, sie trank und rief: »Cheerio!«, und musste sich beinahe die Ohren zuhalten, als ihr die Iren mit einem noch lauteren »Cheerio!« antworteten. »Auf die beste Frau des Rennens!«, rief Jerry.
»Wo bleibt Alex?«, rief Clarissa, als Dolly etwas Luft bekam.
»Und Matthew?«, fügte Betty-Sue ängstlich hinzu.
Dolly löste sich von ihrem Mann und wischte sich den Whiskey mit dem Anorakärmel von den Lippen. Ihre Miene war plötzlich sehr ernst. »Alex war einmal dicht hinter mir, dann hab ich ihn aus den Augen verloren. Er ist das Rennen viel zu schnell angegangen, und wenn ich ehrlich bin …« Sie suchte nach den richtigen Worten. »… Er machte nicht gerade den Eindruck, als würde er durchhalten. Wir hätten ihn nicht fahren lassen dürfen, Clarissa. Ich glaube, er braucht noch eine Weile … auch wenn er das nicht einsehen will.«
»Und Matthew? Was ist mit Matthew?«, drängte Betty-Sue.
Dolly blickte sie ratlos an. »Keine Ahnung. Ich hab ihn schon ziemlich früh überholt. Eigentlich komisch, dass er schon so früh außer Puste war. Ich dachte, er würde mindestens unter die ersten drei kommen. Vielleicht ist ihm das Frühstück im Hotel nicht bekommen.« Sie sah die Enttäuschung in Betty-Sues Gesicht und hob die Hände. »Tut mir leid, aber er sah nicht so aus, als könnte er das Feld von hinten aufrollen. Ich glaube, ihm war hundeübel.«
»Hast du gefragt, was mit ihm los ist?«
»Klar hab ich ihn gefragt.« Dolly gab ihrem Mann durch eine Handbewegung zu verstehen, dass er sich noch etwas gedulden müsste, und wandte sich wieder an Betty-Sue. »Er sagte, ihm würde nichts fehlen. Vielleicht hat ihm auch die Sache mit den beiden Goldsuchern zu stark zugesetzt. Er hat sicher Angst um dich. Es war ziemlich leichtsinnig, ihn vor allen Leuten zu küssen.«
»Was hab ich denn noch zu verlieren? Ich bin schon gekündigt.«
»Dein Leben«, erwiderte Dolly, »dein Leben.«
Alex überquerte als Vorletzter die Ziellinie, sprang von den Kufen und trat wütend gegen den Schlitten. »So ein Mist!«, fluchte er aufgebracht. »Ich hab mich zweimal verfahren und hätte beinahe einem Elch die Beine weggerissen. So was passiert nicht mal Anfängern!« Er zog seine Pelzmütze vom Kopf und warf sie in den Schnee. »Warum bist du nicht selbst gefahren, verdammt? Du wärst mindestens Dritte geworden. Und ich hätte mir diese Blamage erspart! Am liebsten würde ich diesem Wunderdoc mal ordentlich einheizen!«
»Dr. Blanchard kann nichts dafür«, sagte Clarissa so sanft wie möglich. »Du hast dich doch wacker geschlagen. Mach dir nichts draus! Nächstes Jahr bist du wieder in Hochform und gewinnst das Rennen. Beruhige dich, Alex!«
»Ich will mich aber nicht beruhigen!« Er ließ den Schlitten und die Hunde stehen und überquerte die Straße. »Ich brauche erst mal einen starken Whiskey! Es wird allerhöchste Zeit, dass ich mich mal wieder richtig besaufe!«
»Alex!«, hielt sie ihn zurück.
Er blieb stehen. »Was?«
»Hast du Matthew gesehen?«
»Den Indianer? Den hab ich schon ziemlich früh überholt, noch bevor wir in die Berge kamen. Machte einen ziemlich abgeschlafften Eindruck. Eigentlich komisch. Ich dachte, der kommt mindestens unter die ersten drei.« Er blickte Betty-Sue an und winkte ab. »Ach was, der kommt schon
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