Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
Vermögens verloren habe. Aber was ist alles Geld dieser Welt gegen das Schicksal eines Sohnes, der unschuldig im Gefängnis sitzt?«
Clarissa lachte verächtlich. »Soll ich jetzt Mitleid haben, Mister Whittler? Sie glauben doch selbst nicht, was Sie da sagen. Sie sind wütend, weil Sie Ihren Sohn nicht freikaufen konnten, und jetzt versuchen Sie es bei mir! Oder wollen Sie mir allen Ernstes weismachen, dass Sie nichts von der Nachricht wissen, die mir Ihr indianischer Wachhund mit einem Pfeil geschickt hat?«
»Eine bedauerliche Entgleisung«, entschuldigte sich Whittler, »normalerweise liegen mir solche theatralischen Aktionen fern. Aber hinter dem, was dort geschrieben stand, stehe ich. Ich bin gern bereit, Sie fürstlich für Ihren Aufwand zu entschädigen, wenn Sie mir eine eidesstattliche Erklärung zukommen lassen, in der Sie bestätigen, dass es sich bei der versuchten Vergewaltigung lediglich um einen bedauernswerten Irrtum handelt. Sagen wir, tausend Dollar?« Er lächelte hinterhältig, anscheinend war er sich ziemlich sicher, sie mit einem so fürstlichen Angebot überreden zu können. »Damit wären Sie Ihre Schulden bei der Bank mit einem Schlag los, nicht wahr? Ich zahle in bar oder Gold.«
Also hatte Whittler tatsächlich die Nachricht geschrieben. »Und wenn ich mich weigere, wollen Sie mich umbringen?«, fauchte Clarissa ihn an. Sie hätte Whittler am liebsten am Kragen gepackt. »So wie Ihr missratener Sohn?«
»Warum so harte Worte?« Whittler behielt mühsam sein Lächeln. »Warum bringen Sie mir Ihre schriftliche Aussage nicht bis spätestens morgen früh im Hotel vorbei, ich zahle Ihnen tausend Dollar, und wir beide sind im Reinen?«
»Ich lasse mich nicht kaufen, Mister Whittler! Und schon gar nicht für einen gemeinen Verbrecher wie Ihren Sohn, der nur Unglück über mich und meinen Mann gebracht hat. Stecken Sie sich Ihre tausend Dollar an den Hut!«
»Warum so aufgebracht?«
»Und wenn Sie glauben, Sie könnten mir mit Ihren Drohungen Angst einjagen, täuschen Sie sich! Fragen Sie Ihren Sohn! Der glaubte auch, er könnte mich im Vorbeigehen erledigen, und was ist aus ihm geworden?« Sie verriet Whittler nicht, dass sie seine Verhaftung nur Bones, ihrem geheimnisvollen Geisterwolf, zu verdanken hatte. »Ich habe dem Marshal bereits gesagt, dass Sie mich bedroht haben. Das Gesetz ist auf meiner Seite, Mister Whittler.«
»Ach ja?« Sein Lächeln gefror, und sein Blick war jetzt gefühllos und kalt. »Ich habe dem Marshal schon gesagt, dass sich da wohl irgendjemand einen Scherz erlaubt hat. Ich habe die Nachricht nicht geschrieben, und natürlich haben wir auch niemals miteinander gesprochen.« Sein Tonfall wurde schärfer. »Bringen Sie mir die Bestätigung, und Sie haben nichts zu befürchten.«
»Und wenn nicht?«
»Werde ich ein bisschen nachhelfen müssen.« Auf seinem Gesicht erschien ein diabolisches Grinsen. »Und glauben Sie mir, ich kenne Mittel und Wege, die Sie auf jeden Fall gefügig machen werden. Die beiden Männer, die Sie ›Wachhunde‹ nennen, gehören zu einer ganzen Mannschaft von Schlägern, die ich für solche Zwecke angeheuert habe. Der Bau einer Eisenbahn ist kein Zuckerschlecken. Also bringen Sie mir die Bestätigung. Wenn ich sie bis morgen früh habe, bekommen Sie die tausend Dollar. Wenn ich sie später erhalte, zahle ich Ihnen die Hälfte. Und wenn Sie sich stur stellen, Mrs. Carmack …«
»… bringen Sie mich um?«
»Wenn es sein muss«, räumte Whittler ein. »Und glauben Sie bloß nicht, der US Marshal könnte Ihnen helfen. Ich hinterlasse keine Spuren.« Sein Lächeln kehrte zurück. »Aber Sie sind eine kluge Frau und lassen es bestimmt nicht so weit kommen. Tausend Dollar, vergessen Sie das nicht, und das Versprechen, dass Ihnen Frank niemals mehr zu nahe kommen wird. Nur eine Närrin würde ein solches Angebot ablehnen, und Sie sind doch keine Närrin?«
»Lassen Sie mich in Ruhe, Mister Whittler!«, sagte sie und ging.
»Diese Begegnung hat nie stattgefunden«, rief Whittler ihr nach, als sie zur Hauptstraße zurücklief. »Und vergessen Sie nicht … morgen früh im Hotel.«
Clarissa stapfte wütend durch den aufgewühlten Schnee und war froh, im dichten Verkehr auf der Hauptstraße untertauchen zu können. Ohne festes Ziel lief sie zum Ufer des Chena River hinab und blickte über das blasse Eis nach Norden. Die Sonne war aufgegangen, tauchte als heller Schimmer am fernen Horizont auf und verbreitete rötliches Licht, das die Schatten
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