Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
passiert ist. Ich nehme eher an, er ist so schlau, sich von der Stadt fernzuhalten. Wer weiß, was einige Goldsucher veranstaltet hätten, wenn er auf einem der vorderen Plätze gelandet wäre. Ich weiß, die meisten Leute hier sind nicht so radikal, aber besonders gut zu sprechen sind sie auch nicht auf Sie. Sie müssten das doch am besten wissen.« Er fuhr sich mit einem Finger über seinen dünnen Schnurrbart, den er wachsen ließ, seitdem er in Fairbanks stationiert war. »Matthew tut sicher gut daran, sich eine Weile hier nicht blicken zu lassen. Wenn er klug ist, wartet er, bis sich die Aufregung gelegt hat.« Er blickte ihr in die Augen. »Und Sie sollten dasselbe tun, Schwester.«
Betty-Sue wollte sich nicht beruhigen. »Matthew denkt nicht daran, vor ein paar Spinnern in die Knie zu gehen! Und er war fest entschlossen, als einer der Ersten ins Ziel zu gehen. Er ist ein guter Musher, einer der Besten! Ihm muss was passiert sein! Vielleicht hat man ihn vergiftet?«
»Vergiftet?« Der Marshal blickte sie ungläubig an.
»Die Musher sagen, dass ihm übel war.«
»Dann hat er vielleicht was Falsches gegessen oder …«
»… er hat ein Bier zu viel erwischt, ich weiß!«, ergänzte sie bissig. Sie drehte sich um und stapfte davon, blieb nach einigen Schritten abrupt stehen und drehte sich noch einmal um. »Und ich dachte, Sie vertreten das Gesetz!«
»Sie macht sich Sorgen«, entschuldigte sich Clarissa beim Marshal. »In letzter Zeit ist ein bisschen viel auf sie eingestürzt.« Einen Seitenhieb konnte auch sie sich nicht verkneifen. »Aber die beiden Goldsucher hätten hinter Gitter gehört, sonst haben wir hier bald Zustände wie im Wilden Westen!«
Clarissa quittierte seine ungläubige Miene mit einem knappen Lächeln und holte Betty-Sue ein. Sie legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter. »Ich sage Alex Bescheid, dann suchen wir ihn gemeinsam. Warte hier auf mich.«
Sie lief zum Hotel zurück, stieg die Treppe hinauf und hörte schon im Flur das Schnarchen ihres Mannes. Sie ahnte, welcher Anblick sie im Zimmer erwarten würde. Alex lag angezogen auf dem Bett, die Arme und Beine weit ausgestreckt, und schnarchte mit offenem Mund. Sein Whiskeydunst füllte das ganze Zimmer aus und ließ sie angewidert das Gesicht verziehen. Sie ging dennoch hinein, hob eine leere Flasche vom Boden auf und stellte sie auf den Nachttisch. »Alex!«, versuchte sie ihn zu wecken. »Wach auf! Matthew ist verschwunden. Wir müssen ihn suchen! Vielleicht ist ihm was passiert.«
Alex regte sich widerwillig, suchte mit einer Hand die Flasche neben seinem Bett, wohl in der Annahme, es wäre noch ein Rest Whiskey drin, und sackte stöhnend aufs Bett zurück. Es würde noch Stunden dauern, bis er wieder nüchtern war. So betrunken war er seit einem Jahr nicht mehr gewesen.
Clarissa erkannte, dass es keinen Sinn hatte, ihn weiter zu bedrängen, und kehrte in den Flur zurück. Unten trug sie einem Hotelangestellten auf, ihrem Mann zu sagen, dass sie mit dem Schlitten fortgefahren wäre, und ging zu den Huskys, die sich hinter dem Hotel im Schnee ausruhten. »Hey, Emmett!«, begrüßte sie ihren Leithund, der sofort den Kopf hob. »Ich weiß, das Rennen war anstrengend, aber wir müssen noch mal los. Matthew ist verschwunden!«
Sie beugte sich zu Emmett hinunter und verwöhnte ihn mit den üblichen Streicheleinheiten, liebkoste auch die anderen Hunde und sagte ihnen, wie wichtig es wäre, sich noch einmal zusammenzureißen und mit allen Sinnen auf die neue Aufgabe zu konzentrieren. »Ich weiß nicht, ob ihm was passiert ist. Seine Huskys sind nicht zurückgekommen, aber wenn er gestürzt ist, sind sie vielleicht ins Indianerdorf gerannt.« Sie legte ihren Hunden die Geschirre an und spannte sie vor den Schlitten. Dem jungen Benny gab sie einen Extraklaps. »Du hältst dich großartig, Benny! Nicht alle Hunde könnten neben Emmett mithalten. Wenn du so weitermachst, kommen wir auch mit sechs Hunden klar.« Sie stieg auf die Kufen und trieb die Hunde an. »Vorwärts, go … keine Müdigkeit vortäuschen … Betty-Sue wartet schon auf uns.«
Sie arbeitete sich mit dem Schlitten bis zu Betty-Sue vor, ließ sie aufsitzen und verließ die Stadt durch eine Seitengasse. »Wir müssen ohne Alex auskommen«, rief sie ihrer Freundin zu, als sie den Schlitten auf den Chena River lenkte. »Ihm geht’s nicht besonders.« Sie verriet ihr nicht, in welchem Zustand sie ihren Mann angetroffen hatte. »Aber wir schaffen das auch allein.« Sie
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