Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
nicht mehr, was ich machen soll. Die Kopfschmerzen würden nie ganz verschwinden, steht in dem Gutachten, das ich von Doktor Blanchard bekommen habe, und dass er manchmal gereizt reagieren könnte. Das schaffst du, dachte ich, selbst gesunde Ehemänner reagieren oft gereizt, und Alex meint es ja nicht so. Aber woher sollte ich denn wissen, dass es ewig dauern würde, bis er wieder der Alte ist?« Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen und griff dankend nach dem heißen Tee, den Dolly ihr reichte. »Manchmal hab ich das Gefühl, die Operation hat das Unvermeidliche nur aufgeschoben.« Sie trank nachdenklich von ihrem Tee. »Ich hab’s Alex nie gesagt, aber in dem Gutachten steht auch, dass sich jederzeit eine neue Geschwulst bilden könnte. Was ist, wenn die Operation nichts gebracht hat?«
Dolly holte sich ebenfalls einen Tee und setzte sich zu ihr. Ihr Optimismus blieb wie immer unerschütterlich. »Ach was! So was muss er doch reinschreiben, schon wegen der Versicherung. Sonst könntest du ihn doch sofort verklagen, falls Komplikationen auftauchen. Oder meinst du etwa, er lässt sich wegen dieser Operation von der Fachpresse feiern, wenn er Zweifel an ihrem Erfolg hätte? Alex ist geheilt. Und in ein paar Wochen lassen auch seine Stimmungsschwankungen nach. Du sieht doch, wie er sich immer wieder entschuldigt. Er will gar nicht durchdrehen, aber die Operation war ein so schwerer Eingriff, dass er gar nicht anders kann. Manche Männer drehen viel schneller durch. Mein Jerry zum Beispiel, als der neulich vom Zahnarzt kam, war er zwei Tage nicht zu gebrauchen, dabei hatte ihm der Quacksalber nicht mal einen Zahn gezogen. Das wird wieder, Clarissa. Er braucht nur Zeit.«
»Und seine Sauferei? Du solltest sehen, wie er den Whiskey in sich hineinschüttet, wenn ihn der Ärger packt. Als würde das was nützen. Nicht mal früher hat er so viel getrunken. Ich habe Angst um meinen Alex … große Angst.«
Dolly winkte lachend ab. »Was soll ich denn sagen? So viel Whiskey wie mein Jerry trinkt kein anderer Mann auf der Welt, und wenn im Chena River Whiskey fließen würde, hätten wir bald keinen Fluss mehr. Die meisten Männer gießen sich ordentlich einen hinter die Binde … aus Spaß, oder weil sie den grauen Alltag satthaben. Du siehst das viel zu dramatisch, Clarissa.«
»Wenn Alex so weitermacht, bringt er sich um, Dolly!«
»Ach was! Warum unternimmst du nicht mal einen Ausflug mit ihm? Nicht nach Fairbanks … an den grünen See, an dem er sich so gerne aufhält. So was wirkt Wunder bei den meisten Männern. Man muss ihnen das Gefühl geben, nur für sie auf der Welt zu sein, das mögen die verwöhnten Burschen.«
Alex grinste tatsächlich über beide Backen, als sie ihm den Vorschlag machte, und spannte sofort die Hunde an. Zum ersten Mal seit mehreren Tagen hatte er wieder ein freundliches Wort für Emmett übrig und kraulte ihn zwischen den Ohren, streichelte und kraulte auch die anderen Hunde und lächelte erwartungsvoll, als Clarissa mit dem Proviant aus dem Haus kam. Selbst die Huskys ließen sich von der ungewohnt fröhlichen Stimmung der beiden anstecken und konnten es gar nicht erwarten, endlich loszurennen.
Clarissa überließ ihrem Mann den Platz auf den Kufen. Sie stellte erleichtert fest, dass er viel sicherer stand und wesentlich schneller reagierte als auf der Rückfahrt von Seward, wenn ein unerwartetes Hindernis auftauchte. Immer wieder drehte sie sich nach Alex um und belohnte ihn mit einem dankbaren Lächeln. Vielleicht war sie zu ungeduldig gewesen und nicht genug auf ihn eingegangen. Sie musste mehr Zeit mit ihm verbringen, dann erholte er sich wahrscheinlich schneller. Warum hatte sie ihn bloß im Stich gelassen?
Das »Grünlich schimmernde Wasser«, wie die Indianer den See nannten, war so abgelegen, als befände es sich auf einem anderen Planeten, und auch Clarissa konnte sich seinem Zauber nicht entziehen. Die friedliche Stimmung über dem gefrorenen Wasser und den umliegenden Felsen hüllte sie wie ein unsichtbarer Mantel ein und schien sie gegen alles abzuschotten, was sich störend auf ihre Zweisamkeit auswirken konnte. Einige der Wolken, die noch am Vorabend den Himmel bedeckt hatten, waren abgezogen und ließen dem Mond und den Sternen genug Raum, um ihr Licht zu entfalten. Als silberner Nebel senkte es sich auf den See herab.
»Bist du glücklich?«, fragte Alex, als sie vom Schlitten gestiegen waren.
»Hätte ich dich sonst geheiratet?«, erwiderte sie lächelnd.
Sie
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