Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
Schwarzfichten steigen und mit ruhigem, beinahe lautlosem Flügelschlag davonfliegen. Sie blieb abrupt stehen. Für einen winzigen Augenblick vergaß sie ihren Mann und dachte an die Warnungen, die sie von der Indianerin in dem Roadhouse und dem greisen Medizinmann erhalten hatte. »Hüte dich vor Dzeba, der Hexe!« Wollte ihr der Todesvogel der Indianer zeigen, wen sie wirklich zu fürchten hatte? Hatte sich Dzeba ihren Umhang aus Eulenfedern so fest um die Schultern gebunden, dass sie selbst zur Eule geworden war? Überwachte die Hexe bereits jeden ihrer Schritte?
Sie verdrängte die düsteren Gedanken und stapfte weiter über den Schnee. Längst war sie sich darüber im Klaren, dass ihr die größte Gefahr nicht von einer indianischen Hexe, die es vielleicht gar nicht gab, sondern von Thomas Whittler und seinen Schergen drohte. Sie waren für den Brandanschlag verantwortlich, daran gab es keinen Zweifel. Whittler würde sie vernichten, wenn sie keine Aussage machte, und hatte mit ihrer Blockhütte angefangen, auch wenn er dafür gesorgt hatte, dass sie es ihm nicht beweisen konnte. Was würde er sich als Nächstes ausdenken? Einen gemeinen Mord?
Aus einer Gruppe von Bäumen, der am Ufer eines zugefrorenen Baches wuchs, drang ein leises Stöhnen zu ihr. Erst jetzt, als der Mond hinter einer Wolke hervorlugte, sah sie auch die Spuren von Schneeschuhen, die sich in den verschneiten Hang gegraben hatten. Sie stapfte bis zum Bach hinab und sah Alex zwischen den Bäumen auf dem Rücken liegen. Anscheinend hatte er sich den rechten Knöchel gestaucht. Sein Gesicht war schmerzverzerrt.
»Alex!«, rief Clarissa zugleich ängstlich und auch überglücklich. Sie ließ sich neben ihn fallen und bedeckte sein Gesicht mit Küssen. »Und ich dachte schon, ich hätte dich verloren!« Sie küsste ihn wieder und wieder und nahm ihn fest in die Arme, wärmte ihn mit ihrem Körper. »Du lebst, Alex!« Sie löste sich von ihm und strich mit der flachen Hand über seinen Knöchel. »Und deinen lädierten Fuß kriegen wir auch wieder hin. Wie ist das passiert, Alex?«
»Ich bin gestürzt, das siehst du doch!« Für einen Moment hatte sie Angst, er würde einen seiner Wutanfälle bekommen, doch diesmal gelang es ihm, sich zu beherrschen. »Ich bin ausgerutscht. Ich wollte doch nur …« Er stemmte sich auf den Ellbogen hoch. »Ich hab ein Feuer gesehen … in unserem Tal.«
»Unser Blockhaus … Es ist abgebrannt. Ich nehme an, Whittlers Wachhunde, dieser Mister Smith und der Indianer, haben das Feuer gelegt, um uns kleinzukriegen. Aber ich sage nicht für Frank Whittler aus. Für kein Geld der Welt würde ich mich für diesen miesen Verbrecher einsetzen. Und wenn er uns zehnmal das Haus niederbrennt. Mich kriegt er nicht klein … niemals!«
»Meine Kriegerin«, erwiderte Alex lächelnd. »Ich glaube, es wird Zeit, dass ich mich um Whittler und seine Schurken kümmere. Der glaubt wohl, er könnte alles mit uns machen, nur weil er ein bisschen Geld auf dem Konto hat.«
»Ein bisschen?« Sie küsste ihn erneut und zuckte erschrocken zurück, als er vor Schmerzen aufschrie und sich an den verstauchten Knöchel griff.
»Willst du mich eigentlich ewig hier liegen lassen?«, drohte er schon wieder die Beherrschung zu verlieren. Er verzog das Gesicht. »Hol endlich Hilfe und schaff mich hier weg, sonst friere ich mir noch den Arsch ab.« So sprach er sonst nie mit ihr, und obwohl sich Clarissa langsam an seine Ausbrüche gewöhnt hatte, zuckte sie auch diesmal zusammen. »Worauf wartest du?«
Sie stand auf, zog ihren Revolver aus der Anoraktasche und feuerte in die Luft. »Das Zeichen für Dolly und Jerry, dass ich dich gefunden habe«, sagte sie und wandte sich ab, damit er ihre Tränen nicht sah. Sie weinte lautlos.
21
»Hab ich’s nicht gesagt?«, tönte Jerry, als Clarissa mit ihrem Mann zurückkehrte, »diese Fallensteller sind noch zäher als wir Iren. »Hätte mich auch schwer gewundert, wenn du dich schon zu den Engeln verkrochen hättest.« Er bemerkte, wie sich Alex’ Miene verfinsterte, als Clarissa mit ihm an den schwelenden Trümmern seiner Blockhütte vorbeifuhr. »Halb so schlimm, das bauen wir wieder auf. Meine irischen Freunde liegen sowieso schon viel zu lange auf der faulen Haut herum.« Als Alex keine Anstalten machte, vom Schlitten zu steigen, blinzelte er nervös. »Hey … du bist doch okay, oder?«
»Ich hab mir den Fuß verstaucht«, erwiderte Alex gereizt. »Muss an meinen alten Schneeschuhen gelegen
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