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Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis

Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis

Titel: Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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durchzudringen. Sie schrie vor Angst und Verzweiflung, vergaß in ihrer Panik, die Handschuhe anzuziehen, und rannte davon, weg vom Feuer, weg von ihren Entführern, weg von der indianischen Hexe, die nur darauf zu warten schien, ihr das Kind wegzunehmen.
    Diesmal merkte sie gar nicht, dass sie auf Strümpfen lief. Die Angst trieb sie vorwärts, immer tiefer in den Wald hinein, und ließ sie alle Warnungen vergessen. Plötzlich wollte sie nur noch weg und dem Unwetter entrinnen, das sich über ihr zusammenbraute. Wie von Sinnen rannte sie durch das Unterholz, prallte gegen den ausladenden Zweig einer Fichte, blieb benommen stehen, nur um gleich darauf weiterzulaufen, ohne Richtung und ohne Ziel.
    Erst als sie über einen vom Blitz gefällten Baumstamm stolperte, blieb sie weinend liegen und schloss fest die Augen, als könnte sie dadurch alles Unheil fernhalten. Sie schluchzte verzweifelt und spürte gar nicht, wie der Indianer sie einholte und sie an beiden Armen unsanft vom Boden hochriss. Erst als er ihr eine schallende Ohrfeige gab, kam sie zu sich.
    »Zum Feuer!«, forderte Raven sie auf.
    Clarissa kam es vor, als würde sie von der Faust eines Riesen getroffen. Gleich darauf spürte sie den Gewehrlauf des Indianers im Rücken, und ihr blieb nichts anderes übrig, als zum Feuer zurückzulaufen. Von Raven getrieben, stolperte sie durch den Wald, erntete nicht mal ein schadenfrohes Kichern des Indianers, als sie gegen einen Baum lief und beinahe das Bewusstsein verlor, stolperte die letzten Schritte und fiel vor dem Feuer zu Boden.
    »Sie machen sich nur unnötig das Leben schwer«, empfing sie Smith, ohne seine Stimme zu erheben. »Sind Sie einem Wolf oder einem bösen Geist begegnet, weil Sie plötzlich so geschrien haben?« Er wusste nicht, wie nahe er mit seiner Vermutung an der Wahrheit war. »Und warum, zum Teufel, wollten Sie weglaufen? Ich hab Ihnen doch gesagt, dass wir Sie finden werden.«
    »Ich … ich wollte nicht …«, stammelte sie.
    »Jetzt müssen wir wohl noch besser auf Sie aufpassen, Ma’am. Wir bekommen unser Geld nämlich nur, wenn wir Sie wohlbehalten bei Mister Whittler abliefern. Warum machen Sie es sich so schwer? Wollen Sie, dass wir Ihrer Freundin bei jeder Dummheit einen Finger abhacken? Diesmal will ich noch Gnade vor Recht ergehen lassen, aber beim nächsten Mal werde ich nicht mehr so nachsichtig sein. Werden Sie ab jetzt gehorchen, Ma’am?«
    Sie weinte wieder. »Ja … ja, doch …«, flüsterte sie.
    »Ich kann Sie nicht hören, Ma’am!«
    Der Indianer versetzte ihr einen derben Fußtritt und bereitete ihr so große Schmerzen, dass sie einen lauten Schrei ausstieß und heulend nach Luft schnappte. »Raven, lass den Unsinn!«, hörte sie Smith den Indianer zurechtweisen. »Whittler will sie unversehrt haben. Der bringt es fertig und zahlt uns nur noch die Hälfte, wenn er merkt, dass wir sie verprügelt haben.«
    »Weiße Hexe!«, schimpfte der Indianer.
    Clarissa weinte immer noch, als Raven ihr Fesseln anlegte und die Lederstricke so fest verschnürte, dass sie blutige Striemen in ihre Haut rissen. Mit dem Gewehrlauf trieb er sie zum Wagen und packte sie mit der freien Hand am Anorak, als sie vergeblich versuchte, auf die Ladefläche zu klettern. Ohne sich groß anzustrengen, schob er sie über die Heckklappe auf den Wagen. »Lass sie in Ruhe, verdammt!«, hörte sie Smith rufen. »Die läuft nicht weg.«
    Sie hörte, wie Raven zum Feuer zurückkehrte, und robbte zu den Decken am anderen Ende des Wagens. Da der Indianer ihre Hände auf dem Rücken gefesselt hatte, schaffte sie es nur unter größten Anstrengungen, sich einigermaßen zuzudecken. Sie lag bereits, als ihre Stiefel in den Wagen geflogen kamen und sie nur knapp verfehlten. Leise weinend schloss sie die Augen.
    An Schlaf war jedoch nicht zu denken. Ihre Füße brannten von dem unfreiwilligen Marsch durchs Unterholz, ihre Hand- und Fußgelenke waren jetzt schon ab den Fesseln taub, und ihr ganzes Denken war von der Angst erfüllt, ihren Mann, ihre Freundin, ihr Kind und ihre Zukunft zu verlieren. Die ganze Welt schien sich gegen sie verschworen zu haben. Nicht nur Thomas Whittler, der die Verurteilung seines Sohnes nicht verkraften konnte und selbst vor einer Entführung nicht zurückscheute, um ihn zu retten, auch die bösen Geister, von denen der Medizinmann gesprochen hatte. Sie hatten ihrem Mann den Boden unter den Füßen weggezogen und ihr eine indianische Hexe geschickt, die ihr ungeborenes Kind bedrohte.

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