Clarissa - Wo der Himmel brennt
hochgeklappten Ohrenschützern. »So gefällst du mir schon besser«, sagte sie lächelnd. »In dem Anzug sahst du wie ein Bürovorsteher aus Vancouver aus.«
Er blickte auf den Anzug. »Und ich dachte, ich hätte dir gefallen.«
»Das war gelogen.«
»Aber ich habe nicht gelogen«, erwiderte er. »Du sahst wirklich toll in dem Brautkleid aus. Wenn’s nach mir ginge, könnten wir jede Woche heiraten.«
»Und jede Woche einen Eröffnungswalzer tanzen?«
»Du hast recht … War eine dumme Idee.«
Sie verließen das Hotel wie zwei Diebe auf der Flucht. Um nicht von zwei Hochzeitsgästen, die vor der Tür des Gemeinschaftshauses standen, gesehen zu werden, nahmen sie den Hinterausgang. Durch den nassen Schnee stapften sie zur Pension von Mary Redfeather. Alex hatte einen Beutel mit dem Hochzeitskleid und dem Anzug und einige Wolldecken mitgenommen.
Die Hunde empfingen sie aufgeregt. Sie hatten nicht damit gerechnet, in dieser Nacht auf den Trail zu dürfen, und jaulten begeistert, als Clarissa sie an die Führungsleine band. »Hey, Smoky!«, begrüßte sie den tänzelnden Leithund. »Du dachtest wohl, wir legen uns nach der Feier auf die faule Haut. Irrtum, mein Lieber! Alex und ich müssen dringend nach Hause, und frag mich bloß nicht, warum!« Sie kraulte ihn unter dem Kinn, wie er es am liebsten hatte. »Du hast doch nichts dagegen, oder? Wir haben Vollmond und klare Sicht, so wie du es am liebsten hast. Bist du bereit, mein Lieber?«
Und ob Smoky bereit war. Er war so begeistert, dass er am liebsten schon ohne den Schlitten losgerannt wäre. Nur widerwillig wartete er, bis Clarissa die anderen Hunde angespannt hatte, und Alex die Führungsleine mit dem Schlitten verband. Ihr Hochzeitskleid und den Anzug hatte er bereits in dem Vorratsbeutel unter der Haltestange verstaut. Er legte die Wolldecken auf die Ladefläche und bedeutete ihr, sich auf die Ladefläche zu setzen. »Ich fahre.«
Clarissa vermutete, dass er die Bewegung brauchte, um sich nach der enttäuschenden Hochzeitsnacht abzureagieren, und machte es sich bequem. »Schon gut!«, rief sie dem nervösen Charly zu, der es wieder einmal nicht abwarten konnte und beinahe auf Smoky draufhing. »Gleich geht es los!«
Alex brauchte die Hunde nicht anzutreiben. Kaum hatte er den Anker gezogen, rannten sie los, und sein »Giddy-up!« verhallte ungehört im frischen Nachtwind. Das Ende des Winters vor Augen und begierig darauf, noch einmal voller Lust durch den Schnee zu rennen, hetzten sie über die Hauptstraße zum Stadtrand und folgten der Wagenstraße am Ufer des Skeena Rivers. An einigen Stellen, die tagsüber in der Sonne lagen, war der Schnee bereits geschmolzen, und unter den Kufen knirschte felsiger Boden. Über dem Fluss hingen Nebelschwaden und verliehen ihm ein geheimnisvolles Aussehen.
Die Nacht war wie geschaffen für eine Fahrt mit dem Hundeschlitten, und hätte etwas mehr Schnee auf der Straße gelegen, wären die Huskys noch eifriger und begieriger über den Trail gerannt. Erst im Wald, wo der Schnee länger liegen blieb, fanden ihre Pfoten wieder mehr Halt, und die Kufen glitten leiser über den festen Untergrund. Der Vollmond stand hoch am klaren Himmel, und die Baumkronen ließen so viel Licht durch, dass sich der Trail wie eine breite leuchtende Spur durch den Wald zog. Ohne von Alex angefeuert zu werden, zog Smoky das Tempo an, als wollte er noch einmal allen zeigen, was in ihm steckte. Die älteren Hunde wie die sanfte Cloud oder der etwas träge Buffalo hatten Mühe, mit ihm Schritt zu halten.
Das Wolfsgeheul zerriss die Stille, als sie über eine schmale Lichtung fuhren und den Mond als riesige blasse Scheibe über den Bäumen stehen sahen. Als unheilvolles Echo klang es vom ungefähr eine halbe Meile entfernten Fluss herauf, wie ein Warnsignal, das Clarissa noch einmal deutlich machen sollte, in welcher Gefahr sie sich befand. »Bones!«, flüsterte sie erschrocken.
Alex verstand nicht, was sie sagte, konnte es sich aber denken. Er hatte sie oft genug von dem seltsamen Wolf, der angeblich magische Kräfte besaß, erzählen hören. »Bones kann es nicht sein«, rief er, »der würde niemals so weit nach Norden kommen. Der bleibt in seinem Revier. Das sind seine Verwandten in den Bergen … Die sehnen sich nach dem Frühling und frischer Beute.«
»Auf die Ranch ist er mir auch gefolgt.«
»Das war nicht Bones.«
»Ich hab ihn genau erkannt, Alex.«
Alex blieb keine Zeit, etwas zu erwidern. Dicht vor dem Waldrand blieb der
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