Clarissa - Wo der Himmel brennt
»Alles halb so schlimm, Charly! Smoky hat sich einen Vorderlauf verstaucht und zwei Zähne verloren. Schlimm genug, aber das wird wieder. Alex bringen wir zum Arzt.« Sie setzte Charly ab und wandte sich an die anderen Hunde. »Aber ihr müsst mir dabei helfen, hört ihr? Wir dürfen keine Zeit verlieren.«
Sie zerrte den Schlitten zwischen den Bäumen hervor und wuchtete ihn auf die Kufen. Zwei Streben waren angeknackst, eine Schlaufe des Vorratsbeutels eingerissen. Alles andere wäre eine Katastrophe gewesen. Ohne einen Schlitten hätte sie es nicht geschafft, Alex zu einem Arzt zu bringen, und er wäre ihr vielleicht unter den Händen gestorben. Der Gedanke erschreckte sie so sehr, dass sie für einen Augenblick innehalten musste. Erst nachdem sie ein paarmal durchgeatmet und ein kurzes Dankgebet zum Himmel geschickt hatte, legte sie den verletzten Smoky auf die Ladefläche, richtete die restlichen Hunde aus und fuhr zu Alex. Hastig bohrte sie den Anker in den Schnee.
Es kostete sie einige Kraft, Alex auf den Schlitten zu heben. Er war immer noch bewusstlos und so schwer, dass sie zuerst seinen Oberkörper auf die Ladefläche legte und die Beine mühsam nachzog. Sie wickelte ihn in die Wolldecken und band ihn mit einigen Lederriemen aus dem Vorratsbeutel fest. Smoky legte sie zwischen seine Beine. Der Husky drehte verwirrt den Kopf und blickte sie dankbar an, als sie die warmen Decken über ihm ausbreitete.
Als sie um den Schlitten herumlief und bemerkte, dass die sanftmütige Cloud und der junge Charly eher orientierungslos an der Spitze standen, tauschte sie die beiden Hunde gegen den intelligenten Rick und den kräftigen Chilco aus. Sie konnten einen Leithund wie Smoky nicht ersetzen, waren aber erfahren genug, um das Gespann einigermaßen im Zaum zu halten. Cloud und Charly schienen dankbar für die neue Lösung zu sein und wehrten sich nicht, als Clarissa sie vor Buffalo und Waco an die Führungsleine klinkte.
»Giddy-up!«, trieb sie die Hunde an. Auf den Anfeuerungsruf ihres Mannes hörten sie am ehesten. »Ihr seht doch, wie es Alex und Smoky geht. Die beiden brauchen dringend einen Arzt! Zurück in die Stadt … Macht voran!«
Noch bevor sie die Worte ausgesprochen hatte, rannten die Hunde los. Sie spürten instinktiv, was auf dem Spiel stand, und ließen ihre Muskeln spielen, obwohl einige von ihnen leichte Blessuren und Prellungen davongetragen hatten. Als wollten sie Clarissa beweisen, dass auch ohne Smoky mit ihnen zu rechnen war, liefen sie so schnell sie konnten und folgten dem Weg, den sie gekommen waren.
Sie waren keine Stunde von Port Essington entfernt und glaubten, ein so scharfes Tempo vorlegen zu müssen, dass Clarissa sie an manchen Stellen sogar bremsen musste, um nicht wieder einen Unfall zu bauen. Bei jeder Bodenwelle ging sie tief in die Knie und klammerte sich mit beiden Händen an die Haltestange. »Rick! Chilco!«, rief sie nach vorn. »Übertreibt es nicht! Ich hab keine Lust, wieder gegen einen Baum zu fahren. Noch mal kommen wir nicht so glimpflich davon! Nicht so hitzig!«
Erst auf der breiten Wagenstraße am Ufer des Skeena Rivers ließ sie den Hunden freien Lauf. »Heya! Heya! Hier ist genug Platz!« Ihre Stimme hallte zwischen den hohen Fichten. »Lauft, ihr Lieben, jetzt haben wir es nicht mehr weit!« Die Hunde flogen förmlich über den verharschten Schnee und kümmerten sich nicht um das blanke Eis, das an vielen Stellen durch den Schnee blitzte und ihnen die Pfoten aufriss. Sie mussten Port Essington so schnell wie möglich erreichen. Auf der Wagenstraße gab es kaum Hindernisse, der festgestampfte Schnee lag wie eine Piste vor ihnen, und die aufgeworfenen Schneewälle zu beiden Seiten markierten die Richtung, die sie nehmen mussten. Der trübe Eisnebel, der vom Fluss heraufzog, störte sie nur wenig.
Als die ersten Häuser von Port Essington im morgendlichen Dunst auftauchten, verschärfte Clarissa das Tempo noch einmal. »Giddy-up! Vorwärts! Jetzt haben wir es gleich geschafft!«, trieb sie die Hunde an. Ihr Blick war auf Alex gerichtet, der reglos in seinen Decken lag und nicht einmal stöhnte, wenn sie über eine Bodenwelle holperten oder ins Schlingern gerieten. Bitte, bitte, lass ihn nicht ernsthaft verletzt sein, schickte sie ein erneutes Stoßgebet zum Himmel, lass ihn keine inneren Verletzungen haben! Sie brauchte ihn, er war der Mann, von dem sie immer geträumt hatte, obwohl er ganz anders aussah als die Prinzen auf ihren weißen Pferden, die in den
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