Clarissa - Wo der Himmel brennt
bevor er ihn sich ansteckte. Hinter ihm bullerte ein kleiner Ofen und verbreitete wohlige Wärme.
»Vielen Dank für Ihre Hilfe«, bedankte sich Clarissa. »Ohne Sie würden mich wohl die Mounties im nächsten Hafen festnehmen.« Sie wärmte ihre Hände an der warmen Tasse. »Whittler hatte mich in Port Essington aufgespürt und war mir dicht auf den Fersen. Mir blieb gar nichts anderes übrig, als mich an Bord zu schleichen. Hier war ich wenigstens einigermaßen sicher.«
»Und wie sind Sie an Bord gekommen?«
Sie lächelte, obwohl ihr gar nicht danach war. »Über eine Strickleiter. Ich habe mich in einem der Rettungsboote versteckt. Nicht gerade gemütlich.«
»Sie sind eine bemerkenswerte Frau, Clarissa.« Ralston zog an seinem Zigarillo und blies den Rauch an ihr vorbei. Diesmal erreichte das Lächeln sogar seine Augen. »Und wo ist Alex? Ich nehme an, Sie haben diesen Naturburschen inzwischen geheiratet. Sie haben ihn doch nicht zurückgelassen?«
Clarissa erzählte ihm, was passiert war, und ließ nur ihre Begegnung mit Bones aus. Obwohl sie dem Spieler zutraute, seine Karten zu markieren und sich mit allen Tricks einen Vorteil zu verschaffen, vertraute sie ihm. Bis jetzt hatte er sich stets wie ein Gentleman benommen, auch wenn er aus seiner Zuneigung für sie kein Hehl machte. »Alex lebt … Das weiß ich. Ich werde ihm einen Brief schreiben und in Skaguay auf ihn warten. Er lässt mich nicht im Stich.«
»Dann wäre er auch schön dumm.« Sein Lächeln blieb an den Lippen hängen und ließ ihn bei dieser Antwort nicht so selbstsicher wie sonst aussehen. »Sie wissen, dass ich immer für Sie da wäre, sollte er … Nun, sollten Sie aus irgendeinem Grund gezwungen sein, das Leben wieder allein zu meistern.«
»Das wird nicht passieren, Sam.« Sie bemühte sich, in ihrer Antwort nicht den geringsten Zweifel mitschwingen zu lassen. »Sie wollten mir sagen, warum Whittler wieder hinter mir her ist, Sam. Wissen Sie wirklich mehr? Ich dachte, wir hätten ihn vor zwei Jahren in die Knie gezwungen, und sein Vater hätte ihn enterbt.«
Er ließ die Hand mit dem Zigarillo sinken. »Das stimmt auch. Frank Whittler war vollkommen am Boden. Man hatte ihn als Schwindler entlarvt. Seine Verlobte, immerhin die Tochter eines angesehenen Geschäftspartners, war ihm weggelaufen, und sein Vater hatte ihn auf ein geschäftliches Abstellgleis geschoben, wo er kein Unheil anrichten konnte. Alles Geld bis auf seinen Pflichtteil hatte er ihm genommen. Was aber nicht bedeutete, dass er sich verkroch. Sein großes Mundwerk ließ er sich von keinem verbieten, und er machte immer noch genug Geld, um sich in zweifelhaften Kaschemmen mit ebenso zweifelhaften Damen herumzutreiben. Aus zuverlässiger Quelle weiß ich, dass er ausgerechnet seinen Vater mit einem leichten Mädchen erwischte. Es wird sogar gemunkelt, dass er die Dame gezielt auf ihn ansetzte, um ein wirksames Druckmittel gegen ihn zu haben.«
»Thomas Whittler? Einer der mächtigsten Männer des Landes, ein Millionär mit einem leichten Mädchen?«
»Auch Millionäre sind nur Menschen und können sehr anfällig für die Reize einer Dame sein, wenn sie es geschickt genug anstellt. Und die Dame, die ihn aufs Glatteis lockte, soll eine der besten ihres Faches sein. Ich bin sicher, Whittler musste ihr ein halbes Vermögen für diesen Liebesdienst bezahlen.«
Clarissa vergaß vor lauter Überraschung, von ihrem Tee zu trinken. »Sie meinen, Frank Whittler hat seinen eigenen Vater in eine Falle gelockt und erpresst ihn?«
»Ich bin mir sogar sicher, dass es so ist. Thomas Whittler hat einen Großteil seines Vermögens seiner Frau überschrieben, aus steuerlichen Gründen, und würde sehr viel Geld verlieren, wenn sich seine Frau von ihm trennen würde, ganz zu schweigen von der Rufschädigung. Die Canadian Pacific würde ihm wohl ebenfalls ihr Vertrauen entziehen, wenn sich so was herumspräche, das dürfte wohl klar sein. Und glauben Sie nicht, dass Mrs Whittler vor einer Scheidung zurückschrecken würde.«
»Ich weiß«, sagte Clarissa, »ich kenne Mrs Whittler gut. Ich habe lange für sie gearbeitet.«
Ralston paffte an seinem Zigarillo. »Wenn es wirklich so war, blieb Thomas Whittler gar nichts anderes übrig, als auf die Erpressung seines Sohnes einzugehen. Auf alle Fälle gab er ihm wieder einen verantwortungsvollen Posten und überwies ihm mehr Geld, und als Whittler Junior auf die Idee kam, sich an einer gewissen Clarissa zu rächen, half er ihm wohl, einen
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