Clarissa - Wo der Himmel brennt
ein Ass erwischte. Ich nahm ihm zweihundert Dollar und das Billett für die Doppelkabine nach Alaska ab.«
»Sie haben das Ticket gewonnen?«
Ralston fuhr sich mit dem Zeigefinger unter den Kragen, anscheinend hatte er seine Krawatte zu eng gebunden. »Ein Fingerzeig des Schicksals. Ich wäre sonst vielleicht nie auf die Idee gekommen, in diesem fernen Land mein Glück zu versuchen, und ich wäre natürlich auch nicht zur Stelle gewesen, um Sie aus Ihrer Bredouille zu befreien. In Alaska könnte ein neues Leben für mich beginnen. Sehen Sie sich doch an, wie viele Goldsucher und Glücksritter sich allein an Bord dieses Schiffes befinden. Die haben alle von den riesigen Goldfunden am Klondike gehört und Haus und Hof im Stich gelassen, um ebenfalls reich zu werden. Als ob das Gold dort auf der Straße läge.«
»Und Sie? Was wollen Sie?«, fragte Clarissa.
Der Spieler ließ sich erneut zu einem Lächeln hinreißen. »Ich pflege einen teuren Lebensstil und hätte ebenfalls nichts dagegen, ein Vermögen anzuhäufen. Aber mit dem Gold ist das so eine Sache, es macht nur einige wenige reich. Die anderen erwischen ein paar Körner und kehren enttäuscht zurück.«
»Dann wollen Sie nicht nach Gold graben?«
»Ich bin für schwere körperliche Arbeit nicht geschaffen, und glauben Sie mir, wer zumindest die Chance haben will, auf eine Goldader zu stoßen, schuftet von frühmorgens bis spät in die Nacht. Nein, Ma’am, dafür bin ich nicht der richtige Mann. Ich bleibe bei meinen Karten. Nicht wer in der Erde buddelt oder den ganzen Tag im kalten Wasser steht, wird bei einem Goldrausch reich, sondern die Leute, die von den Goldgräbern leben, die Ladenbesitzer und Outfitter, die Schmiede und die Wagenbauer, die leichten Mädchen und Männer wie ich, die sich auf ihr Glück verlassen und den Glücksrittern mit einem Straight Flush oder einem Full House ihr Gold aus der Tasche ziehen.«
»Alex und ich wollen mit diesem ganzen Rummel nichts zu tun haben«, erwiderte Clarissa. »Sobald er nachgekommen ist, ziehen wir in die Wildnis und leben dort so, wie wir in Kanada gelebt haben. Wir brauchen kein Gold.«
Der Gedanke an Alex ließ sie für einen Moment die Augen schließen. Ihr wurde wieder bewusst, dass Alex spurlos verschwunden war, und ihre Hoffnung auf ein Wiedersehen lediglich darin begründet war, dass sich ein Mann wie er nicht so leicht überrumpeln ließ. Bisher hatte sie nicht an seiner Rückkehr gezweifelt, doch je weiter sie sich von Port Essington entfernte, desto unsicherer und nervöser wurde sie. Wie sollte sie weiterleben, wenn er tatsächlich verschwunden war? Was passierte, wenn seine Leiche gefunden wurde? Ein schrecklicher Gedanke.
Sie stand auf und lief zur Tür. »Entschuldigen Sie mich«, bat sie mit Tränen in den Augen. »Ich brauche etwas frische Luft. Es ist wahnsinnig stickig hier drin.«
Sie verließ die Kabine und schloss die Tür hinter sich. Für einen Augenblick lehnte sie sich mit dem Rücken dagegen und atmete die frische Luft, die vom Meer herüberwehte. Noch immer von ihren Gedanken gequält, lief sie zur Reling und hielt sich mit beiden Händen daran fest. Sie achtete nicht auf die neugierigen Blicke der anderen Passagiere, die sie mit ihrer für eine junge Frau so ungewöhnlichen Kleidung immer noch auf sich zog. Von Traurigkeit und plötzlicher Angst überwältigt, hielt sie ihr Gesicht in den Wind.
»Alex!«, flüsterte sie. »Komm mir bloß nicht auf die Idee und mach dich aus dem Staub! Ich hab dir nicht das Jawort gegeben, um dich gleich wieder zu verlieren!«
»Entschuldigen Sie die Frage, Ma’am.« Ein Mann war unbemerkt neben sie getreten, etwas kleiner, aber zäher und kräftiger und mit einem angegrauten Vollbart, der seinen Mund kaum erkennen ließ. Unter der breiten Krempe seines unförmigen Filzhutes blitzten dunkle Augen. »Haben Sie Kummer?«
Sie wandte erschrocken den Kopf. »Das geht Sie gar nichts an!«, antwortete sie ungewohnt barsch.
Der Mann, der in seiner speckigen Lederjacke eher wie ein Landstreicher aussah, wusste sich zumindest zu benehmen. »Oh, ich wollte nicht neugierig sein, Ma’am. Ich dachte nur, Sie hätten vielleicht etwas Trost nötig. Sie werden doch vor einem alten Mann wie mir keine Angst haben?« Er kicherte leise in sich hinein. »Ich weiß den Anblick einer hübschen Frau sehr zu schätzen, Ma’am, aber es liegt mir fern, Sie zu belästigen oder Ihnen sonst wie zu nahezutreten. Schon gar nicht, wenn sie einen Ring trägt.« Er
Weitere Kostenlose Bücher