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Clarissa - Wo der Himmel brennt

Clarissa - Wo der Himmel brennt

Titel: Clarissa - Wo der Himmel brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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Er wünscht Ihnen gute Besserung. Die Frau des Verkäufers hatte ungefähr Ihre Statur und hat mir bei der Auswahl geholfen.« Er zog einen dunkelgrünen Rock, ein graues Kleid mit weißem Kragen, einen flachkronigen Hut, eine Bluse, Handschuhe sowie einige Utensilien, von denen er wohl annahm, dass eine Frau sie brauchte, aus der Reisetasche. Die Handschuhe wären selbst in einer Stadt wie Skaguay wichtig.
    Sie verzog sich hinter die spanische Wand und probierte die neuen Sachen an. Das Kleid war ein wenig zu groß, ließ sich aber tragen, und der Rock und die Bluse saßen perfekt, auch die Handschuhe ließen sich leicht überziehen. Vor mehr als zwei Jahren in Vancouver hatte sie zum letzten Mal welche getragen. »Und Sie haben acht Stunden gebraucht, um das alles zu kaufen?«
    »Nun«, antwortete er scheinbar reuevoll, »ich habe mir ein leichtes Abendessen in Henry’s Café gegönnt und war anschließend auf ein Bierchen im Saloon. Ein außerordentlich elegantes Etablissement für eine Stadt dieser Größe übrigens. Und … nun … die restliche Zeit habe ich am Spieltisch verbracht.«
    Sie blickte hinter der spanischen Wand hervor. »Mit meinem Gold?«
    »So viel war nicht mehr übrig, und ein wenig Bargeld habe ich auch einstecken, wie Sie wissen.« Er klang ein wenig beleidigt, fing sich aber gleich wieder. »Aber Sie können froh sein, dass ich auch ein paar Goldkörner aus Ihrer Barschaft in den Pott geworfen habe. Ich hatte eine Glückssträhne, müssen Sie wissen, zwei Mal Full House und einen Straight Flush innerhalb von drei Stunden, und konnte Ihren Einsatz sogar vervielfachen.« Er reichte ihr einen Beutel mit Goldkörnern. »Jetzt haben Sie mehr Gold als vorher.« Er lächelte. »Ich glaube nicht, dass man mir deshalb einen Vorwurf machen kann.«
    »Sie haben für mich gepokert?« Sie griff ungläubig nach dem kleinen Lederbeutel. »Und gewonnen?« Ihre Miene verfinsterte sich. »Tun Sie das nie mehr wieder, Sam!«
    Am nächsten Morgen wagte sie sich zum ersten Mal in Rock und Bluse aus ihrer Kabine und genoss die frische Luft, die ihr an Deck entgegenwehte. Sie hatten bereits abgelegt und nahmen Kurs auf Sitka, die ehemalige Hauptstadt von Russisch-Amerika, wie sie dem Prospekt der Pacific Coast Steamship Company entnommen hatte. Während des frühen 19. Jahrhunderts war die Stadt mit ihren farbenprächtigen orthodoxen Kirchen ein wichtiger Außenposten des russischen Zarenreiches gewesen, und in den Schlössern und Prachtvillen hatten Zaren und Grafen genächtigt. Die Sonne war hinter einigen Wolken verschwunden, und es nieselte ein wenig, eine willkommene Abwechslung zu der stickigen Luft in der Kabine. Sie hatte nicht gewagt, dem Spieler das Rauchen zu verbieten, immerhin hatte er ihr zwei Mal das Leben gerettet, und ohne ihn würde sie noch viel ungesündere Luft atmen.
    Sie blieb an der Reling stehen und ließ die dichten Wälder auf unzähligen kleinen Inseln an sich vorüberziehen. Der Kapitän hatte sicher alle Hände voll zu tun, sein Schiff durch diese engen Kanäle zu steuern. Vor der felsigen Küste tauchten zwei Buckelwale aus dem Wasser, die ersten Rückkehrer aus den warmen Gewässern vor Hawaii, ihrem bevorzugten Winterquartier. Auch das wusste Clarissa aus dem Prospekt der Schifffahrtsgesellschaft. Sie sah den Walen zu, wie sie schnaubend das Wasser aus ihren Stirnöffnungen stießen und beim Untertauchen ihre mächtigen Schwanzflossen aus dem Wasser reckten. Ein erhebender Anblick, den sie auch in den Gewässern vor Vancouver oftmals genossen hatte. Die Indianer behaupteten, in den Walen würden die Seelen besonders geschätzter Mitmenschen weiterleben, und sie fragte sich, ob ihre Eltern zurückgekommen waren, um ihr Mut zuzusprechen, so wie der geheimnisvolle Wolf, der ihr seit über zwei Jahren zur Seite stand.
    Vom Zwischendeck klang Musik herauf, sie konnte die beiden Wale aber nicht vertreiben. Die mächtigen Tiere blieben vor der Küste, tauchten öfter auf als nötig und schienen es sogar den Delfinen gleichtun zu wollen, die dem Dampfschiff oft meilenweit folgten und ihre Kunststücke zeigten. Clarissa wartete, bis die Wale im leichten Morgennebel verschwanden, wischte sich einige Tränen aus den Augen und stieg die Niedergänge zum Zwischendeck hinunter. Obwohl die immer fröhlicher und ausgelassener klingende Musik so gar nicht zu der melancholischen Stimmung vor der nebligen Küste und in ihrem Herzen passte, zogen sie die Klänge auf beinahe magische Weise an.
    Auf

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