Clarissa - Wo der Himmel brennt
»Was erwarten Sie von einer Frau, die so gekleidet ist wie ich?«, beantwortete sie seinen fragenden Blick lächelnd. Die Hühnerbrühe, Standardkost für eine Seekranke, ließ sie unberührt stehen.
Als der Steward kam und das Geschirr abräumte, lag sie scheinbar krank auf dem Sofa und stöhnte schmerzerfüllt, als er sich nach ihrem Wohlergehen erkundigte. »Sie müssen ordentlich essen, wenn Sie wieder zu Kräften kommen wollen«, sagte er mit einem Blick auf die Hühnerbrühe. »Wenn Sie wollen, lasse ich sie Ihnen noch einmal aufkochen.« Er deutete ihr leises Stöhnen als Zustimmung und räumte ihren Teller ab. Sein mitfühlendes Lächeln ließ erkennen, dass sie nicht die erste Seekranke war, die er betreute. »Bis Alaska bleiben wir zwischen den Inseln, da ist der Seegang ruhiger«, tröstete er sie.
Nach dem Essen bat sie Ralston, ihr Briefpapier, einen Umschlag und Schreibzeug zu bringen, und schrieb einen Brief an Alex. Ohne auf den Spieler zu achten, der in einem Sessel saß, einen Zigarillo rauchte und einen Satz Spielkarten mischte, vertiefte sie sich in ihre Gedanken. »Liebster Alex«, begann sie, »zuerst möchte ich dir sagen, dass ich gesund und in Sicherheit bin. Du weißt, dass ich dich niemals im Stich lassen würde, aber Frank Whittler tauchte so plötzlich in der Stadt auf, dass ich keine andere Wahl hatte, als mich auf der S.S. California zu verstecken. Als Whittler auch dort nach mir suchte, verkroch ich mich in einem Rettungsboot und konnte von Glück sagen, dass Sam Ralston auf dem Schiff ist und den Captain überzeugen konnte, mich an Bord zu behalten.« Sie hütete sich, Alex zu verraten, dass Ralston sie als seine Frau ausgegeben hatte, und sie in seiner Kabine schlief. »Vom Captain und den Leuten auf dem Schiff droht mir keine Gefahr, obwohl Whittler natürlich an die Polizei in einem der Häfen, die wir anlaufen, telegrafiert haben könnte. Ich glaube jedoch eher, dass er uns irgendwo in der Wildnis vermutet. Viel größere Sorgen mache ich mir um dich. Ich habe dich überall gesucht und nur deinen Stiefel bei den Klippen gefunden. Wo steckst du, Alex? Ich befürchte, du warst auch vor Whittler auf der Flucht, und hoffe sehr, dass du inzwischen in Sicherheit bist. So leicht lässt du dich nicht unterkriegen, schon gar nicht von diesem verwöhnten Millionärssohn. Ich warte in Skaguay auf dich, Alex. Nur wenn es dort zu gefährlich für mich werden sollte, werde ich nach Dawson City weiterreisen und mir dort ein Quartier suchen. Ich habe die Hälfte unserer Ersparnisse mitgenommen. Den Rest des Goldes habe ich Mary Redfeather zur Aufbewahrung gegeben. An sie habe ich auch diesen Brief geschickt, weil du bei ihr sicher zuerst nach mir fragen wirst. Nimm den nächsten Dampfer nach Norden, und komm bloß nicht auf die Idee, mich hier länger als nötig sitzen zu lassen.« Ein Schmunzeln begleitete das Kratzen ihrer Feder. »Du weißt, dass ich dich über alles liebe und mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen kann. Also pack deine Sachen, und gehe an Bord!« Sie überlegte eine Weile und beendete den Brief mit den Worten: »Oder soll ich vielleicht allein auf Hochzeitsreise gehen? In großer Liebe, Clarissa.«
Sie las den Brief noch einmal durch, bevor sie ihn zusammenfaltete und in den Umschlag schob, und fügte eine Notiz für Mary Redfeather hinzu: »Liebe Mary, gib den beiliegenden Brief bitte Alex, wenn er bei dir auftaucht. Ich bin nach Alaska unterwegs. Tut mir leid, dass ich mich nicht von dir und Maggie verabschieden konnte, aber ich wollte Frank Whittler auf keinen Fall in die Hände fallen. Alles, was er sagt, ist gelogen! Ich wünsche dir und Maggie alles Gute und freue mich auf ein baldiges Wiedersehen. Herzlichst, Clarissa.«
Auf den Umschlag schrieb sie »An Mary Redfeather, Port Essington, Canada«, klebte ihn zu und steckte ihn in ihre Jackentasche. In Skaguay würde sie ihn dem Kapitän übergeben und ihn bitten, ihn nach Port Essington mitzunehmen. Sie wandte sich an den Spieler, der inzwischen dabei war, eine Patience zu legen und sich über ein fehlerhaftes Blatt ärgerte. »In welcher Stadt legen wir als Nächstes an?«
Ralston steckte die Karten weg. »Fort Wrangel … ein ehemaliger Militärposten. Gegen Abend sind wir da.«
Sie kramte den Lederbeutel aus ihrer Jackentasche und schüttete einige Goldkörner in ihre Hand. »Sie würden mir einen großen Gefallen tun, wenn Sie mir dort eine neue Garderobe besorgen könnten. Eine ungewöhnliche Bitte,
Weitere Kostenlose Bücher