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Clarissa - Wo der Himmel brennt

Clarissa - Wo der Himmel brennt

Titel: Clarissa - Wo der Himmel brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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die Augen und blickte so angestrengt in den trüben Dunst, dass Tränen über ihre Wangen rannen. »Alex«, flüsterte sie, »lass mich nicht zu lange warten! Skaguay scheint noch rauer zu sein, als wir angenommen haben. Schon hier an Bord denken alle Menschen nur daran, wie sie so schnell wie möglich reich werden können. Ich hab nichts gegen Gold, und ich weiß, dass du genauso wie ich denkst, aber wenn Skaguay wirklich so schlimm ist, wie alle sagen, sollten wir uns so schnell wie möglich aus dem Staub machen.« Sie öffnete die Augen und setzte mit einem Anflug von Wut hinzu: »Also krieg deinen hübschen Hintern hoch, und setz dich endlich in Bewegung, oder willst du dich ewig vor mir verstecken? Ich brauche dich, Alex!«
    Sie erreichten Sitka am späten Nachmittag und bekamen die Stadt kaum zu Gesicht. Dichte Nebelschwaden hingen wie verirrte Wolken über der Küste, und nur der Zwiebelturm der russischen Kirche und einige wenige Holzhäuser ragten daraus hervor. Die Küstenberge, bei schönem Wetter eine eindrucksvolle Kulisse, wie Clarissa später erfuhr, blieben ihr verborgen. Die S.S. California blieb gerade so lange, um zwei Passagiere, raue Burschen, die wie Fallensteller gekleidet waren, und einige Fracht aufzunehmen und fuhr nach Juneau weiter, wo sie länger blieb. Dort war das Wetter aber so schlecht, dass keiner der Passagiere daran dachte, an Land zu gehen. Alle wollten so schnell wie möglich nach Skaguay, und einer der ungeduldigen Goldsucher sprach für alle, als er rief: »Worauf warten Sie, Captain? Bringen Sie uns endlich nach Skaguay, oder sollen wir den ganzen Sommer auf See verbringen?«
    Selbst Ralston ließ sich von der allgemeinen Unruhe anstecken, obwohl er nur zu den Mahlzeiten seine Kabine verließ, und spielte nervös mit seinen Spielkarten, während einige Hafenarbeiter schwere Kisten und Säcke an Bord wuchteten. Als er ein Pik-Ass zog, stöhnte er leise, die Karte brachte angeblich Unglück, und er atmete erst wieder auf, als der Steward ihm einen doppelten Brandy gebracht hatte, und er nach einem kräftigen Schluck das wesentlich sympathischere Herz-Ass auf den Tisch legte. »Ich hoffe, Sie haben in Skaguay ebenso gute Karten«, sagte sie mit einem Blick auf das Herz-Ass. »Ich hab mir sagen lassen, Soapy Smith beschäftigt einige der raffiniertesten Falschspieler des Hohen Nordens. Sind Sie sicher, dass Sie nach Skaguay wollen?«
    Das Herz-Ass verlieh dem Spieler neue Zuversicht und ließ ihn seine Lippen zu einem zufriedenen Lächeln bewegen. »Nach Skaguay und weiter nach Dawson City«, antwortete er, »und ich kann ja nicht immer so ein Pech haben wie in Seattle und San Francisco. Das Pik-Ass war ein Ausrutscher, ist mir unglücklich aus der Hand gerutscht, eigentlich hatte ich schon beim ersten Mal das Herz-Ass in der Hand. Ich stehe am Beginn einer langen Glückssträhne, Ma’am, und nicht einmal dieser Soapy Smith kann mich daran hindern.«
    »Ich würde es Ihnen wünschen, Sam. Sie haben sich mir gegenüber wie ein Gentleman benommen, und das kann ich nicht von allen Männern sagen.«
    Er mischte das Herz-Ass unter die restlichen Karten, mischte erneut und zog eine Herz-Dame. Sein Lächeln verstärkte sich. »Beim Pokern lernt man, seine Gefühle zu beherrschen. Aber wie gesagt, falls es Ihrem Fallensteller jemals einfallen sollte, Sie im Stich zu lassen, was ich Ihnen keinesfalls wünsche, wäre ich natürlich gern bereit, seine Rolle einzunehmen.« Er ließ die Karten von einer Hand in die andere flattern und zog eine Pik-Dame. Diesmal quittierte er seine bescheidene Wahl lediglich mit einem schiefen Lächeln.
    Spät am nächsten Morgen fuhr die S.S. California in den schmalen Lynn Channel und nahm Kurs auf Skaguay. Zu beiden Seiten des Schiffes waren die zerklüfteten Inseln so nahe, dass man die überhängenden Äste der Zedern beinahe mit den Händen berühren konnte. Noch immer hingen dichte Nebelschwaden über dem Wasser und machten es dem Kapitän schwer, den sichersten Kurs zu finden. Das dumpfe Tuten des Nebelhorns zerteilte den Dunst.
    In Erwartung der baldigen Ankunft waren fast alle Passagiere an Deck gekommen und blickten hoffnungsvoll nach Nordosten. Die meisten Männer hatten bereits ihr Gepäck dabei, um möglichst schnell an Land und auf die Goldfelder zu kommen, nicht ahnend, dass der schwerste Teil der Reise noch vor ihnen lag. Clarissa lehnte auf dem Saloondeck an der Reling und blickte verwundert auf die Goldgräber und Glücksritter hinab,

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