Clarissa - Wo der Himmel brennt
hab ich mir sagen lassen.« Sie schob Fitz die Schüssel mit dem Rührei hin und ließ ihren Blick zwischen ihm und Frank Reid hin und her schweifen. »Ihr beide heckt doch was aus!«
»Dir kann man wohl gar nichts vormachen?« Fitz schob grinsend eine Gabel mit Rührei in sich hinein. »Wir wollen Soapy Smith endlich an den Karren fahren. Frank hat ein Vigilantenkomitee gegründet, das ›Committee of 101‹, das soll den Verbrecher aus der Stadt jagen. 101 Bürger haben wir noch nicht zusammen, aber es werden täglich mehr. Wo stehen wir jetzt, Frank?«
»Bei dreiundfünfzig … mit Dolly«, erwiderte Reid.
»Dann habt ihr jetzt vierundfünfzig. Ich mache auch mit.«
»Fünfundfünfzig«, ergänzte Clarissa.
»Wenn das so weitergeht, haben wir bald mehr Frauen als Männer«, amüsierte sich Fitz und wechselte rasch das Thema, als er die verärgerte Miene der Wirtin bemerkte. »Dein Rührei schmeckt einmalig, genau das Richtige nach unserem Ausflug. Meinst du, wir können ein wenig bei dir ausruhen?«
»Meinetwegen, aber schnarch nicht so laut, hörst du?«
Die nächsten beiden Tage verbrachte Clarissa damit, sich um Dolly zu kümmern und die Beerdigung ihres Mannes vorzubereiten. Fitz und Reid machten ihr Versprechen wahr und sammelten genug Geld für eine feierliche Beerdigung, es reichte sogar für einen der besseren Särge und einen Blumenschmuck aus künstlichen Nelken, die sie in grüne Farbe tauchen ließ, eine Verbeugung vor der irischen Heimat des Toten. Die Kapelle, die den Sarg bis zum Friedhof begleiten sollte, bezahlte Clarissa mit Goldkörnern.
Die Beerdigung fand drei Tage nach Luthers Ermordung statt. So lange hatte der Bestatter gebraucht, um die Leiche des Iren so zu schminken und herzurichten, dass kaum noch etwas an die schweren Verletzungen erinnerte, die sein Mörder ihm zugefügt hatte. In seine gebrochene Nase hatte er Watte gestopft, um sie einigermaßen gerade aussehen zu lassen. Luther trug ein weißes Hemd mit Krawatte, sein Haar war sorgfältig gekämmt, nur auf eine neue Hose hatte man verzichtet, weil man die unter der Sargdecke sowieso nicht sah. »So eine schöne Leiche hatte ich noch nie«, sagte der Bestatter.
Dolly brach in Tränen aus, als Fitz sie in die Leichenhalle trug und vor dem offenen Sarg auf einem Stuhl sitzen ließ, damit sie sich in aller Ruhe von ihrem toten Mann verabschieden konnte. Der Bestatter hatte recht, so gut hatte Luther nicht mal im Leben ausgesehen, vor allem nicht so friedlich, nur grinste er nicht mehr wie früher und erwiderte auch nicht ihren sanften Kuss, als sie ihn auf die Stirn küsste und dabei beinahe das Gleichgewicht verlor.
Während der Fahrt zum Friedhof saß sie neben dem Leichenbestatter auf dem Kutschbock, der inzwischen verschlossene Sarg mit ihrem Mann lag auf der Ladefläche des Pritschenwagens, der einen verglasten Leichenwagen, wie man ihn in Vancouver oder San Francisco gehabt hätte, ersetzte. Die grünen Nelken leuchteten verheißungsvoll im schwachen Sonnenlicht. Dolly hatte sich inzwischen gefasst und wirkte genauso ernst wie der Leichenbestatter.
Clarissa folgte dem Pritschenwagen in gebührendem Abstand und lief neben Mrs Buchanan, Fitz und Frank Reid und zahlreichen anderen Bürgern, die den toten Iren gar nicht gekannt hatten und auf diese Weise ihre Solidarität ausdrücken wollten. Immer mehr Leute schlossen sich dem Trauerzug an, sogar einige Kinder waren dabei, und alle ließen ihn auch zu einem Protestmarsch gegen Soapy Smith werden, der mit einem gezwungenen Lächeln vor seinem Saloon stand und nicht erkennen ließ, was in ihm vorging. Hinter den trauernden Bürgern marschierte die Kapelle, sechs Männer mit schlecht gestimmten Blasinstrumenten, und spielte eine falsche Note nach der anderen. Nur die aufflackernde Sonne protestierte gegen die traurige Stimmung.
Wie alle anderen wandte auch Clarissa den Kopf, als sie an Jeff Smith’s Parlor vorbeischritten und sie Soapy Smith in der offenen Tür stehen sah. Er war ähnlich vornehm gekleidet wie bei ihrer letzten Begegnung und hatte sogar seinen flachkronigen Hut abgenommen, ein Zeichen des Respekts gegenüber einem Toten, den er wahrscheinlich selbst auf dem Gewissen hatte, zumindest dürfte er den Auftrag für den Mord gegeben haben. Obwohl ihm nicht gefallen konnte wie viele Bürger sich dem Trauermarsch angeschlossen hatten, wirkte er selbstsicher und arrogant und nickte Clarissa freundlich zu, als sich ihre Blicke kreuzten. Sie errötete gegen ihren
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