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Clarissa - Wo der Himmel brennt

Clarissa - Wo der Himmel brennt

Titel: Clarissa - Wo der Himmel brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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Gesicht bekam und ihn für vertrauenswürdig hielt. Ob er die offiziellen Weihen hatte, war ihr egal, wenn er nur die passenden Worte am offenen Grab fand.
    Der Pastor erwies sich als Glücksgriff. Obwohl er Luther nicht gekannt hatte, lobte er ihn als einen kühnen jungen Mann, der aufgebrochen war, an der Seite seiner frisch angetrauten Frau sein Glück zu machen und im Sündenpfuhl einer Stadt, die man schwerlich als zivilisierte Siedlung bezeichnen kann, sein Leben ließ. »Aus der Erde sind wir genommen, zur Erde sollen wir wieder werden«, zitierte er aus der Bibel. »Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub, Amen. Und nun lasst uns singen und den Herrn preisen …«
    Die Kapelle stimmte »Rock of Ages« an, und Fitz und einige andere Männer hoben den Sarg von der Ladefläche und ließen ihn an bereitliegenden Seilen in die Grube hinab. Sie falteten die Hände und beteten stumm, dann griff Fitz nach einer Schaufel, füllte sie mit etwas Erde und reichte sie Dolly. Die Engländerin nahm ihre ganze Kraft zusammen und stand auf, blieb schwankend stehen und schloss die Augen zu einem stillen Gebet. Anschließend schaufelte sie die Erde ins Grab. »Farewell, me dear!«, formten ihre Lippen.
    Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als sie wieder in die Stadt zurückkehrten. Der Leichenbestatter war sichtlich erleichtert, seinen Pritschenwagen abzustellen und wieder in seinem Büro verschwinden zu dürfen. Die Trauergemeinde zerstreute sich in alle vier Winde. Soapy Smith stand immer noch vor seinem Saloon und gab sich so selbstsicher wie vor der Beerdigung. Dieses Mal schenkte er Clarissa keine Beachtung und hatte es mehr auf Frank Reid abgesehen. Der sah zwar aus wie ein Buchhalter, war aber wesentlich härter und unnachgiebiger, als die meisten glaubten, und trug sogar einen Revolver wie die Westmänner in den Buffalo-Bill-Heften, die Clarissa so gerne las.
    »Ich höre, Sie wollen mich aus der Stadt jagen«, empfing ihn der Verbrecherkönig. Anscheinend war ihm bereits zu Ohren gekommen, dass Reid dabei war, eine Bürgerwehr aufzustellen. Er zündete sich in aller Ruhe einen Zigarillo an. »Sie glauben doch wohl nicht, dass Sie damit durchkommen?«
    »Abwarten«, erwiderte Reid selbstsicher. Er schien keine Angst vor Soapy Smith zu haben. »Selbstsüchtige Alleinherrscher wie Sie haben sich noch nie lange in einer Stadt gehalten, nicht mal im Wilden Westen. Der Tag wird kommen, an dem auch Sie klein beigeben müssen. Oder meinen Sie, dieses Spiel ewig spielen zu können? Fühlen Sie sich nicht zu sicher, Soapy Smith, und glauben Sie nicht, sich alles erlauben zu können, weil die halbe Stadt und sogar der US Deputy Marshal auf Ihrer Gehaltsliste stehen. Irgendwann ist auch Ihre Glückssträhne vorbei. Selbst in Skaguay gibt es noch Männer, die mit solchen Machenschaften nichts zu tun haben wollen.«
    Soapy Smith rauchte genüsslich und blies Reid den Rauch ins Gesicht. Inzwischen waren die beiden bärtigen Männer, die Clarissa auf dem Schiff und vor dem Hotel gesehen hatte, neben ihm aufgetaucht. »Wir werden sehen, Reid.« Er deutete auf den Revolver an Reids Hüfte. »Ich habe mir sagen lassen, dass Sie damit einigermaßen gut umgehen können, aber fühlen Sie sich bloß nicht zu sicher. Auch ich habe gelernt, ins Schwarze zu treffen.« Er lächelte. »Und ich habe fähige Männer, die mir zur Seite stehen.«
    Clarissa wollte nicht in den Streit hineingezogen werden und folgte Mrs Buchanan in die Pension. Fitz hatte sich bereits verabschiedet. Aus der Küche drang Geschirrklappern. »Ich koche uns einen starken Tee«, rief sie, als sie Clarissa in den Flur kommen hörte. »Kümmern Sie sich um Dolly!«
    Die Beerdigung hatte der Engländerin einiges abverlangt, auch die Auseinandersetzung mit Reverend Ike, der so unverschämt am Friedhof auf sie gewartet hatte, aber in ihren Augen waren keine Tränen mehr, und sie wirkte ungewöhnlich stark und entschlossen. »Ich lasse mir nicht länger von Soapy Smith und seinen Männern auf der Nase herumtanzen«, sagte sie, als Clarissa ihr Zimmer betrat. »Irgendwann, und zwar schon bald, werden sie für ihre Verbrechen bezahlen, und ich werde dabei sein, wenn man sie in Schimpf und Schande aus der Stadt jagt. So lange bleibe ich auf jeden Fall!«
    »Nimm dich lieber vor ihnen in Acht«, empfahl Clarissa. »Du weißt doch inzwischen, wozu sie fähig sind. Vor allem diesem Reverend würde ich nicht über den Weg trauen.« Sie setzte sich auf den Bettrand und versuchte

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