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Clarissa - Wo der Himmel brennt

Clarissa - Wo der Himmel brennt

Titel: Clarissa - Wo der Himmel brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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Willen und wandte rasch den Kopf.
    Weil ihre ganze Aufmerksamkeit dem Verbrecherkönig gegolten hatte, entdeckte sie Sam Ralston erst spät. Der Spieler stand unter dem Vorbaudach, das Gesicht halb im Schatten, und hielt seinen Zylinder in beiden Händen. Er hatte einen kalten Zigarillo zwischen den Lippen und verzog keine Miene.
    Über eine halbe Stunde brauchte der Trauerzug, um den Friedhof vor der Stadt zu erreichen. Im Morast der Hauptstraße taten sich die beiden Zugpferde schwer, und der Wagen blieb alle paar Schritte stecken. Mehrfach mussten einige Männer anschieben, um überhaupt vorwärtszukommen. Die Räder holperten durch den Schlamm und die tiefen Furchen und rollten über die Planken, die auf der Straße lagen. Dem Leichenbestatter fiel es schwer, seine berufsmäßige Trauermiene zu zeigen, und man sah ihm an, wie gerne er geflucht und mit der Peitsche geknallt hätte. Dolly, die sich einen schwarzen Mantel von Mrs Buchanan geliehen hatte, zeigte keine Regung und schien still zu beten. Die Pferde schnaubten und protestierten bei jedem Hindernis.
    Der Friedhof lag auf einem sanften Hügel und war von einem windschiefen Holzzaun umgeben. Über der Einfahrt hing ein Schild mit der Aufschrift »Skaguay Cemetery«. Der Leichenbestatter trieb die Pferde durch das Tor und lenkte sie zu dem offenen Grab, das Fitz und einige andere Männer geschaufelt hatten. In dem Erdhaufen steckten noch die Schaufeln. Ein einfaches Holzkreuz, in das Luthers Name, sein Geburtsdatum und das Datum seines Todes eingebrannt waren, lag neben der Grube für die Beerdigung bereit.
    Zur Überraschung aller wartete Reverend Ike vor dem offenen Grab. In seinem schwarzen Talar, der im böigen Morgenwind wehte, sah er wie ein Racheengel aus. Er hielt eine Bibel in den Händen und täuschte Mitleid und Mitgefühl vor, als er vor den Wagen trat und zu Dolly auf dem Kutschbock emporblickte. »Der Herr sei mit dir, meine Schwester«, begrüßte er sie salbungsvoll. »Wir alle fühlen mit dir und bedauern dich in deinem Schmerz.«
    »Verschwinden Sie!«, reagierte Dolly ungewöhnlich heftig. Der Wind wehte ihre Worte über die Gräber hinweg. »Machen Sie, dass Sie wegkommen, Sie Betrüger! Wir alle wissen, dass Sie mit Soapy Smith unter einer Decke stecken! Sie haben meinen Mann in den Tod geführt, und es würde mich gar nicht wundern, wenn Sie auch bei seiner Ermordung dabei waren.«
    Der Reverend spielte den Nachsichtigen. »Ich verstehe deine Wut und deinen Zorn, Schwester. Manchmal fällt es uns schwer, die Entscheidungen unseres Herrn zu verstehen und zu verarbeiten. Ich bin dir deswegen nicht böse. Viele von uns würden so reagieren wie du. Aber ich habe dich und deinen Mann getraut, ich habe den heiligen Bund der Ehe für euch geschlossen. Warum sollte ausgerechnet ich dabei helfen, ihn umzubringen? Ich habe ihm nur den Weg gezeigt, Schwester, und wir alle wissen, welches Gesindel sich in dieser Gegend herumtreibt. Ich habe nichts damit zu tun. Aber lass uns an diesem schicksalhaften Tag nicht an Rache und Vergeltung denken. Lasst uns lieber eines jungen Mannes gedenken, der vor wenigen Tagen noch voller Hoffnung und Zuversicht vor mir stand und dieser Frau den Ring ansteckte …«
    »Ich habe gesagt, Sie sollen verschwinden!«, wiederholte Dolly. Sie wäre wohl aufgestanden, wenn sie dazu in der Lage gewesen wäre. »Niemand hat Sie zu dieser Beerdigung eingeladen. Lassen Sie uns in Ruhe und gehen Sie!«
    »Sie haben die Lady gehört!«, unterstützte Fitz die Engländerin.
    Der Reverend zuckte die Achseln. »Nun … Wenn das so ist, will ich den Herrschaften nicht länger im Weg stehen. Ich hoffe nur, ihr wisst, was ihr tut, meine Lieben. Wenn ihr diesen armen Mann ohne den Beistand eines Geistlichen bestattet, wird seine Seele auf ewige Zeiten im Jenseits herumirren. Lebt wohl … Und der Herr sei mit euch!« Er wandte sich beleidigt an und ging.
    »Ich war mal Pastor!«, meldete sich ein unscheinbarer Mann unter den Trauernden, als Reverend Ike außer Sichtweite war. Seine Stimme klang viel zu hell und zu schwach für einen Mann, der es gewohnt war, jeden Sonntag zu einer Gemeinde zu sprechen, trug aber in der betretenen Stille, die in diesem Augenblick auf dem Friedhof herrschte, besonders weit. »Es war keine große Gemeinde, und ich habe keine offiziellen Weihen, aber ich kenne die Bibel und weiß, was an einem solchen schweren Tag gesagt werden muss.«
    Alle blickten auf Dolly, die zustimmend nickte, als sie den Mann zu

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