Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Clarissa - Wo der Himmel brennt

Clarissa - Wo der Himmel brennt

Titel: Clarissa - Wo der Himmel brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
Vom Netzwerk:
Postmeister fragen«, antwortete der Kapitän. »Wir liefern die gesamte Post an ihn, und er verteilt sie an die Empfänger. Wenn Sie uns jetzt bitte entschuldigen wollen, Ma’am. Ich schätze, nach der langen Reise haben wir uns eine heiße Mahlzeit und ein Gläschen Whisky verdient.«
    Clarissa blickte dem Kapitän und seinen Leuten nach, bis sie in einem der besseren Restaurants verschwunden waren, und blieb enttäuscht an der Anlegestelle stehen. Noch immer herrschte Trubel im Hafen, waren Neuankömmlinge damit beschäftigt, ihr Gepäck an Land zu schaffen und auf bereitstehende Wagen zu laden, schufteten auch Hafenarbeiter und stellten die ausgeladene Fracht zur Abholung bereit. Sie beobachtete, wie einer der Männer zwei Kisten mit Gemüse zur Pension von Mrs Buchanan brachte, und fühlte sich schuldig, ihr aus dem Weg gegangen zu sein. Gleichzeitig war sie erleichtert, diesen Augenblick nicht mit ihr teilen zu müssen.
    Sie blieb lange stehen, starrte mit leeren Augen auf das Dampfschiff, dessen Schlote längst keinen Qualm mehr ausstießen, und wehrte sich mit aller Kraft gegen die Tränen, die in ihren Augen hochstiegen. Mach dich nicht verrückt, ermahnte sie sich, seit deiner Ankunft sind erst ein paar Tage vergangen. Wenn er sich vor Frank Whittler verstecken muss, dauert es vielleicht noch ein oder zwei Wochen, bis er sich an Bord eines Schiffes wagt. Mit einem der nächsten Dampfer wird er kommen, ganz bestimmt. Doch mit ihrer Hoffnung und ihrem vorgetäuschten Optimismus konkurrierte die Angst, er könnte längst tot sein, einem Unfall oder der Rachsucht von Frank Whittler zum Opfer gefallen sein und nie mehr zu ihr kommen. Whittler hatte schon mal auf ihn schießen lassen und würde es wieder tun, es vielleicht sogar darauf anlegen, und wenn es nur geschah, um ihr zu schaden. »Bitte lass es nicht so weit kommen!«, schickte sie ein verzweifeltes Stoßgebot zum Himmel.
    Erst als kaum noch jemand an der Anlegestelle war, kehrte Clarissa zur Pension zurück. In ihrem Kopf herrschte eine grenzenlose Leere. Sie traf das junge Ehepaar, das sie zu Mrs Buchanan geschickt hatte, im Flur und wechselte ein paar belanglose Worte mit ihnen, zwang sich zu einem Lächeln und verschwand rasch in ihrem Zimmer, bevor Mrs Buchanan oder Dolly sie rufen konnten. Enttäuscht trat sie ans Fenster und blickte auf den Waldrand. Dunkel und in weiter Ferne lag er vor ihr. Bei dem Wrack des Planwagens waren weder ein Wolf noch ein Husky zu sehen, nur zwei Kinder, die Verstecken spielten und von ihrer Mutter zurückgerufen wurden. Die wilden Tiere verloren langsam ihre Angst vor den Zweibeinern, hieß es in der Stadt.
    Ohne einen klaren Gedanken fassen zu können, blieb sie am Fenster stehen und beobachtete die beiden Kinder, die nur widerwillig zu ihrer Mutter zurückkehrten. Als sie verschwunden waren, und sie in die Ferne blickte, staunte sie, wie matt und abweisend sich die fernen Gletscher gegen den grauen Himmel abhoben. Das Eis auf den Gipfeln würde selbst während der kurzen Sommerzeit nicht schmelzen. Die Wildnis war ihr in diesem Augenblick wenig vertraut, sie kam ihr feindlich und abweisend vor, wie das Meer, wenn es vor einem schweren Sturm noch einmal Atem holt. Ohne Alex wäre ihr nicht einmal die Blockhütte, in der sie sich kennengelernt hatten, noch vertraut, und sie wäre wohl ewig auf der Suche nach einer neuen Heimat. Ein schwacher Windstoß fegte den letzten Schnee vom Dach der Pension und trübte ihren Blick, ließ selbst den nahen Waldrand verschwinden.
    Es klopfte, und Mrs Buchanan öffnete die Tür. Sie brachte ihr eine Tasse mit heißem Tee und sagte: »Dolly hat mir alles erzählt. Ich hoffe, Sie sind ihr deswegen nicht böse. Ich weiß, dass Sie nichts Unrechtes getan haben, und ich würde alles tun, um Sie zu beschützen, falls die Polizei hier auftauchen würde.« Sie stellte die Tasse auf den Nachttisch. »Tut mir sehr leid, dass Ihr Mann nicht auf dem Schiff war. Glauben Sie mir, ich weiß, wie man sich fühlt, wenn man vergeblich auf seinen Mann wartet. Aber er wird kommen, ganz bestimmt. Auf der California nächste Woche ist er bestimmt an Bord.«
    Mit ähnlichen Worten tröstete sie Dolly, als sie bei ihr vorbeischaute. Die Engländerin, die inzwischen schon ohne Laudanum auskam, musste sogar lachen. »Ist das nicht komisch? Ich hab meinen Mann verloren und muss eine Frau trösten, die noch gar nicht weiß, was mit ihrem Liebsten passiert ist.«
    »Du hast recht«, erwiderte Clarissa, »ich

Weitere Kostenlose Bücher