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Clarissa

Clarissa

Titel: Clarissa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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offenbar noch etwas sagen, machte aber auf den Fersen kehrt und verließ sie.
    Clarissa behielt mit klopfendem Herzen ihr Lächeln bei, während sie seinen breiten Rücken betrachtete.
    »Bist du mit dir zufrieden? « fragte Jocelin hinter ihr.
    Clarissa lachte laut. »Bin ich so durchsichtig? Raine Montgomery ist ein arroganter Mann, nicht wahr? Er glaubt, ich bin nur seinetwegen hergekommen. «
    »Und bist du das nicht? «
    »Ich werde ihn zum Wahnsinn treiben«, sagte Clarissa vergnügt. »Möchtest du etwas mit uns essen? Hast du Zeit, bei mir Platz zu nehmen und ein paar Fragen zu beantworten? «
    Die Fragen, die Clarissa an ihn richtete, betrafen die Leute im Lager, Fragen, auf die sie die Antworten hätte wissen müssen, da sie ja monatelang hier gelebt hatte. Doch sie kam sich wie ein Außenseiter vor.
    »Sie werden sich nicht leicht umstimmen lassen«, sagte Jocelin. »Sie haben in vielerlei Hinsicht einen Groll auf dich. Blanche hat dafür gesorgt, daß sie dich für viele ihrer Probleme verantwortlich machen. «
    »Blanche! « sagte Clarissa und setzte sich gerade auf. Ihr fiel es wie Schuppen von den Augen.
    »Blanche war die Frau, die an Constances Tod schuld war. Wie hätte sie sonst so genau über Edmund Chatworth Bescheid wissen können? Du mußt sie sehr hassen. «
    »Das Hassen habe ich inzwischen verlernt. « Er stand auf. »Würdest du gerne Rosamund Wiedersehen? Wenn du den Leuten helfen willst, kann sie dir sagen, wo du anfangen sollst. «
    Rosamund war nicht wiederzuerkennen. Ihre Augen glänzten wie Sterne, wenn sie Jocelin betrachtete, so daß das Muttermal auf ihrer Wange fast verschwand. Und Jocelins Augen waren nicht weniger leuchtend.
    »Clarissa möchte dir gerne helfen«, sagte er mit einer weichen, süßen Stimme und nahm Rosamunds Hand.
    Rosamund schenkte Clarissa ein nachsichtiges Lächeln, daß ihr Rücken ganz steif wurde, und sie dankte dem Himmel, daß sie bei Judith in die Schule gegangen war.
    »Ich bin sicher, wir finden schon etwas, wo du dich nützlich machen kannst«, sagte Rosamund mit ihrer weichen Stimme.
    Clarissa brauchte eine Woche, um Rosamund zu überzeugen, daß sie es ernst meinte. Während dieser Zeit arbeitete Clarissa vom frühen Morgen bis späten Abend, und keine Arbeit war ihr zu schwer. Sie wusch und bandagierte schwärende Wunden. Sie entband eine Frau von ihrem Kind, die an Windpocken litt, und als ihr blindes Baby starb, beerdigte sie es; niemand sonst hätte das arme Ding angefaßt. Sie sang einer alten Frau Lieder vor, die unzusammenhängende Schreie wegen irgendwelcher Gespenster ausstieß, die nur sie zu sehen vermochte.
    »Die Lady tut aber ‘ne Menge für uns gemeines Volk«, sagte ein Mann, an dem sie im Dunkeln vorbeikam, als sie zu ihrem Zelt ging. »Früher mochte sie sich nicht die Hände schmutzig machen, doch nun ist ihr nichts schmutzig genug. Nur sehe ich nicht, daß Raine ihr das zugute hielte. «
    In ihrem Zelt legte Clarissa die Hände an die Schläfen. Der Kopf tat ihr weh von dem großen Lärm und den üblen Gerüchen. Die Kranken ließen sich von ihr berühren; aber die Gesunden beachteten sie nicht, nur wenn sie ihren Spott über sie ausgießen wollten. Und was Raine betraf, so sah sie ihn kaum.
    »Seid Ihr hierhergekommen, um Raine zurückzugewinnen oder dieses verkommene, mit Schwären bedeckte Volk? « fragte Joan sie immer wieder.
    »Raine«, hatte Clarissa geflüstert, sich die Schläfen reibend. Nun war das Zelt leer, da Joan offensichtlich woanders schlief. Clarissa war nicht gewohnt an Dienerschaft, und sie versagte, was die Kontrolle von Joan betraf. Als sie sah, daß die Wassereimer leer waren, nahm sie sie auf und ging damit zum Fluß.
    Sie kniete am Ufer und sah um sich, auf die glitzernde Oberfläche des Wassers, Diamantstaub im Mondlicht. Ein Geräusch zwang sie zum Umdrehen, und ihr Herz sprang ihr in den Hals bei Raines Anblick, seinem mächtigen Körper — einem Körper, den sie so gut kannte —, der den Mond überschattete.
    »Hast du bewiesen, was du beweisen wolltest? « fragte er tonlos, seine Stimme so hart wie Stahl. »Hast du erwartet, die Leute würden dir vor Dankbarkeit zu Füßen fallen, wenn du eine eiternde Wunde verbindest? Sie sind bessere Menschenkenner als ich. «
    »Und sag mir bitte, was das bedeutet«, sagte sie tief betroffen.
    »Du bist eine gute Schauspielerin. Ich glaubte einmal, du wärest… ehrenhaft; doch ich habe bitteres Lehrgeld zahlen müssen. Ich hoffe, sie fallen nicht so

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