Clarissa
gekommen, um mich Lord Raine anzuschließen, wenn er den Tod seiner Schwester rächen will. «
»Oh, gütiger Gott«, erwiderte Clarissa betroffen. »Ich hatte gehofft, Ihr würdet uns zu einer friedlichen Lösung dieser Fehde verhelfen. «
»Das wünschen wir uns alle«, kam eine Stimme von oben herunter.
Sie sah hoch, konnte aber niemand entdecken.
»Wer seid Ihr? Doch nicht einer von Raines Wächtern, oder? «
»Oh, aber ich bin sein Wächter, und seid Ihr wirklich Raines Frau? «
Clarissa lauschte der Stimme und war überzeugt, sie noch nie vorher gehört zu haben, obwohl sie etwas Vertrautes an sich hatte. Es war entschieden eine Stimme voller Humor. Sie blickte auf Brian und Jocelin. Brians Gesicht war unbeweglich und zu hart für einen noch so jungen Mann. Joss zuckte mit den Achseln.
Plötzlich wurde ihre Aufmerksamkeit auf Lord Raine gelenkt, der in voller Rüstung auf seinem Schlachtroß zwischen den Bäumen hervortrabte.
Er schwang sich vom Pferd und ging auf Brian Chatworth zu. Der junge Mann zuckte mit keiner Miene. Ein Schlag von Raines Hand hätte genügt, ihn zu Boden zu schleudern.
»Hast du vor, dich hinter dem Rücken meiner Frau zu Verstecken? « fragte Raine mit leiser Stimme. »Sie steht in dem Ruf, die Chatworth’ zu beschützen. «
Clarissa stellte sich zwischen Brian und Raine auf. »Hast du vor, Krieg gegen Kinder zu führen? « brüllte sie zu ihm hinauf. »Kannst du ihn nicht erst anhören, oder bist du schon so verbohrt, daß du einem Jungen keine Chance mehr gibst? «
Raine sagte keinen Ton, weil ein Gelächter aus den Zweigen des Baumes über ihnen erscholl.
Clarissa sah mit offenem Mund zu, wie ein Mann herunter auf den Boden sprang. Er trug die ungewöhnlichsten Kleider, die ihr bisher zu Gesicht gekommen waren: ein Hemd mit weiten Ärmeln von gelber Farbe wurde von einem hellblauen Tartan bedeckt, den er wie eine Decke um seine Hüften gewickelt hatte, daß der Saum einen Rock bildete. Ein schwerer Gürtel hielt den Stoff an den Hüften fest, während das freie Ende über eine Schulter geworfen war. Seine Knie waren bloß, seine Waden mit dicken Wollsocken bekleidet, und an den Füßen trug er dicke Schuhe.
»Stephen«, hauchte Raine, und seine Augen wurden weich.
»Aye — ich bin es«, sagte dieser seltsam bekleidete Mann. Er war groß und schlank mit dunkelblonden Haaren — ein sehr gutaussehender Mann. »Ich habe diesen Jungen zu dir gebracht. Er möchte mit dir dein Exil teilen und hätte gern etwas von dir gelernt. «
»Er ist ein Chatworth«, sagte Raine, und seine Augen wurden wieder hart.
»Ja, er ist ein Chatworth«, sagte Clarissa. »Und du wirst ihm nicht verzeihen, nicht wahr? Zweifellos wirst du diesen Mann hassen, der es wagte, ihn hierherzubringen. Geht wieder fort«, sagte sie zu Stephen. »Es hat keinen Sinn, mit ihm vernünftig zu reden. Er hat ein Stück Holz im Kopf statt ein Gehirn. «
Zu ihrer Überraschung begann Stephen herzlich und ausdauernd zu lachen. »Oh, Raine«, rief er und gab Raine mit der Hand einen Schlag auf die gepanzerte Schulter, daß er am ganzen Körper klingelte. »Wie sehr haben Gavin und ich darum gebetet, so etwas erleben zu dürfen. Also hast du dich Hals über Kopf in eine Frau verliebt, die dich mit Zehen und Klauen bekämpft? Gavin schrieb uns, was für ein süßes, hilfreiches, liebenswürdiges kleines Ding unsere neue Schwester wäre. « Er wandte sich Clarissa zu. »Judith sagte, du hättest eine kräftige Stimme; doch eben noch hättest du mich damit fast vom Baum heruntergeschüttelt. «
»Du bist Stephen Montgomery«, sagte Clarissa staunend. Er sah Gavin ein wenig ähnlich; doch seine Aussprache war genauso fremdartig wie seine Kleidung.
»MacArran«, korrigierte Stephen sie lächelnd. »Ich bin mit der Chefin der MacArrans verheiratet, und mein Name ist der meines Klans. Bekomme ich nun einen Kuß, oder willst du lieber mit meinem Bruder streiten? «
»Oh, ein Kuß! « sagte Clarissa so begeistert, daß Stephen wieder in ein Gelächter ausbrach, ehe er sie in seine Arme zog. Sein Kuß war ganz und gar nicht brüderlich. »Kannst du mir helfen, ihm ein wenig Vernunft beizubringen? « flüsterte sie. »Er ist besessen von den Chatworth. «
Stephen zwinkerte ihr zu, als er sie wieder losließ und sich Raine zu wandte. »Ich bin einen langen Weg gekommen, Bruder. Willst du mir nicht eine Erfrischung anbieten? «
»Und was wird aus ihm? « Raine deutete auf Brian.
»Er kann auch eine haben«, sagte Stephen
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