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Clarissa

Clarissa

Titel: Clarissa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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Mauern umschlossenen Raumes in den Burghof darunter und beobachtete mit entsetzter Faszination, wie die Zimmerleute ein Gerüst für ihre Verbrennung errichteten. Acht schreckliche Tage waren vergangen, seit sie von Pagnell gefangen genommen wurde, und in dieser Zeit war sie der Tortur einer Gerichtsverhandlung unterworfen worden.
    Die Richter dieses Verfahrens waren Männer aus Pagnells Verwandtschaft, und er hatte sie leicht zu seinen Ansichten bekehren können. Clarissa hatte alles mit angehört, denn sie sprachen über sie, als wäre sie gar nicht vorhanden, und ihr Kopf hallte von Raines Worten wider.
    Raine und sie hatten sich oft über den Aufstieg der Mittelklasse gestritten. Clarissa hatte stets König Heinrich verteidigt, seine Methode gepriesen, den Edelleuten die Macht zu beschneiden, sie zur Bezahlung von Löhnen zu zwingen und ihnen die Leibeigenschaft zu verbieten. Doch Raine hatte ihr entgegengehalten, der König würde die Lehnsherren in fette Kaufleute verwandeln, und wenn die herrschende Klasse Pfennige zählen müsse, würde sie ihre ritterlichen Tugenden vergessen und nicht länger wissen, was Ehre bedeutete. Sie befürwortete eine zunehmende Gleichberechtigung der Menschen, doch Raine fragte, wer denn die Verteidigung des Landes übernehmen sollte, wenn England angegriffen würde. Wenn es keinen Stand gäbe, der von der Pflicht, Geld zu verdienen, befreit sei, damit er sich auf das Waffenhandwerk vorbereiten und stark sein könne, wer würde dann England schützen?
    Als Clarissa Zeuge dieser »Gerichtsverhandlung« wurde, begann sie, viel besser zu verstehen, was Raine meinte. Die Richter glaubten nicht eine Sekunde daran, daß sie eine Hexe sei, was Clarissa sehr verwunderte, denn die Leute in ihrer Stadt waren durchaus überzeugt, daß es Hexen gäbe und suchten sich auf vielfache Weise vor den bösen Verwünschungen zu schützen.
    Worum es den Richtern wirklich ging, war die Buhlerei um des Königs Gunst und die Absicht, sich eine fette Belohnung zu verdienen, wenn sie dem König einen Dienst erwiesen. Pagnell erzählte den Richtern, daß sie von Raine Montgomery schwanger sei, und wie Geier stürzten sie sich auf diese Aussage. Raine war zum Verräter erklärt worden, und wenn man ein bißchen nachhalf, würde er seine Ländereien an jemand anderen abtreten müssen. König Heinrich hatte eine Vorliebe dafür, sich seinen eigenen Stand aus Edelleuten zu erschaffen und jedem, der reich genug war, dafür bezahlen zu können, einen Adelstitel zu verleihen. Die Richter hofften, einen Teil der Montgomery-Ländereien für sich zu ergattern, wenn sie Raine — oder seinen Kopf — dem König auslieferten.
    Clarissa saß schweigend im Saal, während ihre Richter verhandelten, Pläne und Ränke schmiedeten, lachten und sich stritten. Am Ende wurde sie auf einen Karren gestoßen und durch die kleine Stadt gefahren — sie kannte nicht einmal ihren Namen —, und ein Mann ging vor dem Karren her und erklärte, daß sie eine Hexe sei.
    Als wäre sie eine unbeteiligte Zeugin und nicht die Betroffene, beobachtete Clarissa, wie die Leute sich bekreuzigten, mit den Fingern ein Kreuz bildeten und sich dann abwandten, damit sie nicht den Bösen Blick bekamen, und die Kühneren unter ihnen warfen mit Küchenabfällen nach ihr. Sie wollte den Leuten ins Gesicht schreien, daß das, was man ihr antat, nichts mit Hexerei zu tun habe, sondern nur mit Habgier — der Habgier der Leute, die bereits reich waren. Doch als sie die ängstlichen Gesichter der armen, schmutzigen und kranken Leute sah, wußte sie, daß sie mit ihnen nicht vernünftig reden konnte. Man kann die Unwissenheit von Jahrhunderten nicht in ein paar Minuten beseitigen.
    Am Ende dieser Prozession wurde sie in die Ruinen einer alten steinernen Burg gezerrt, von der der Turm noch stand, und die Wendeltreppe hinaufgestoßen. Erst nach vielen Stunden gab man ihr eine kleine Schüssel voll Wasser, und Clarissa wusch sich so gut sie konnte den Schmutz und Unrat vom Körper.
    Dort wurde sie tagelang gefangen gehalten, während Wachen vor dem Turm und oben auf der Brüstung aufgestellt wurden. Nachts versammelte sich die Stadtbevölkerung in einem Kreis um den Turm und stimmte Geisterbeschwörungen an, um sich gegen ihre böse Macht zu schützen. Clarissa saß immer nur in der Mitte des kalten kleinen Raumes und versuchte, der Musik zu lauschen, die ihr durch den Kopf ging. Sie wußte, daß die Richter ihre Hinrichtung aufschoben, um Raine Zeit zu geben, zu

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