Clark Mary Higgins
war nur eine dumme Bemerkung gewesen. Tessa.
Wie gerne würde er Tessa noch einmal sehen. Nicky junior.
Nein, Nicholas. Theresa und Nicholas. Sie würden froh sein,
wenn er wie ein Gentleman im Bett stürbe.
Von ganz weit her hörte er, daß die Haustür geöffnet und geschlossen wurde. Marie mußte hereingekommen sein. Dann ein
Läuten an der Tür, ein harter Befehlston. Maries ärgerliche
Stimme. »Ich weiß nicht, ob er zu Hause ist. Was wollen Sie?«
Ich bin zu Hause, dachte Nicky. Jawohl, zu Hause. Die
Schlafzimmertür flog auf. Durch glasige Augen sah er den
Schock in Maries Gesicht, hörte ihren Aufschrei: »Holt einen
Arzt!« Noch mehr Gesichter. Polizisten. Sie brauchten nicht in
Uniform zu sein; auch als Sterbender erkannte er sie noch instinktiv. Und dann wußte er, warum sie da waren. Wegen dieses
eingeschleusten Spitzels, der liquidiert worden war. Natürlich
waren die Bullen direkt zu ihm gekommen.
»Marie«, sagte er und brachte nur ein Flüstern zustande.
Sie beugte sich über ihn, legte ihr Ohr an seine Lippen und
strich ihm sanft über die Stirn. »Nicky«, schluchzte sie.
»Beim… Grab… meiner… Mutter… ich… habe… nicht…
befohlen… daß Kearneys Frau… umgebracht wird.« Er wollte
noch sagen, daß er vorgehabt hatte, alles zu tun, damit der Kontrakt für Kearneys Tochter nicht erfüllt würde. Doch er brachte
nur noch ein gequältes »Mama!« hervor, ehe ein letzter betäubender Schmerz ihm die Brust zerriß. Dann brachen seine Augen. Der Kopf fiel seitlich aufs Kissen, als sein schweres Röcheln durchs Haus hallte und plötzlich aufhörte.
Wie vielen Leuten mochte das Klatschmaul Ethel wohl von ihrer
Vermutung erzählt haben, daß er sich an dem Geld vergriff, das
sie überall in ihrer Wohnung versteckt hatte? Diese Frage verfolgte Doug am Mittwoch morgen, nachdem er an seinem Pult
in der Eingangshalle des Bürohauses von »Cosmic Oil« eingetroffen war. Mechanisch kontrollierte er, ob die Besucher wirklich angemeldet waren, schrieb Namen auf, teilte Besucherausweise aus und sammelte sie wieder ein, wenn die Leute das Gebäude verließen. Ein paarmal kam Linda, das Empfangsfräulein
vom sechsten Stock, vorbei, um ein bißchen mit ihm zu plaudern. Er war heute eher kühl zu ihr, was ihr Rätsel aufzugeben
schien. Was würde sie erst denken, wenn sie wüßte, daß er einen
Haufen Geld erben sollte? Wo hatte Ethel bloß so reiche Beute
gemacht?
Es gab nur eine einzige Antwort. Ethel hatte ihm erzählt, daß
sie Seamus geschröpft hatte, als er die Scheidung haben wollte.
Außer den Alimenten hatte sie auch eine beträchtliche Abfindung zugesprochen erhalten und war wahrscheinlich geschickt
genug gewesen, das Geld gut anzulegen. Zudem hatte sich das
Buch, das sie vor fünf oder sechs Jahren schrieb, gut verkauft.
Bei all ihrer Schusseligkeit war Ethel zugleich doch ganz schön
schlau. Genau das war es, was Doug auf dem Magen lag und ihn
mit Besorgnis erfüllte. Sie hatte gewußt, daß er sich an ihrem
Geld vergriff. Wie vielen Leuten hatte sie davon erzählt?
Nachdem er sich bis zum Mittag mit dem Problem herumgeschlagen hatte, kam er zu einem Entschluß. Er hatte auf seinem
Konto gerade noch genug, um vierhundert Dollar abheben zu
können. Ungeduldig wartete er in der endlosen Schlange auf der
Bank und bekam das Geld in Hunderternoten. Er wollte sie an
ein paar von Ethels geheimen Orten verstecken, und zwar jenen,
die sie meistens nicht benutzte. Auf diese Weise wäre das Geld
da, wenn irgend jemand danach suchte. Einigermaßen beruhigt,
kaufte er sich unterwegs noch einen Hot dog und kehrte an die
Arbeit zurück.
Um halb sieben sah Doug, als er eben um die Straßenecke
bog, wie Seamus eilig die Treppe vor Ethels Haus herunterkam.
Fast hätte er laut herausgelacht. Natürlich! Heute war ja der
Fünfte, und Seamus, der Schlappschwanz, war pünktlich mit
dem Scheck zur Stelle. Was für eine Jammergestalt war er doch
in dem schäbigen Mantel! Mit Bedauern wurde Doug klar, daß
auch er eine Weile würde warten müssen, ehe er sich wieder
neue Kleidungsstücke kaufen konnte. Von jetzt an mußte er
sehr, sehr vorsichtig sein.
Mit dem Schlüssel, den Ethel in einer Schachtel auf ihrem
Schreibtisch aufbewahrte, holte Doug jeden Tag die Post aus
dem Kasten. Seamus’ Umschlag war so in den Schlitz gestopft,
daß noch eine Ecke herausschaute. Alles andere waren vorwiegend Reklamen und Drucksachen. Ethels Rechnungen gingen
direkt an ihren
Weitere Kostenlose Bücher