Clark Mary Higgins
gehe ich mit ihr zum Abendessen aus. Willst du mitkommen?«
»Bestimmt nicht. Es sei denn, du brauchst einen Chaperon.
Ich muß morgen sowieso in die Seventh Avenue.«
Von der Küchentür her fragte Jack: »Sagen Sie mir, wenn ich
Ihnen auf die Nerven falle. Sonst hätte ich vorgeschlagen, daß
wir morgen zusammen essen gehen.«
»Sie wissen ganz genau, daß Sie niemandem auf die Nerven
fallen. Ich gehe gern mit zum Essen, falls es Ihnen nichts ausmacht, auf meinen Anruf zu warten. Ich kann die Zeit noch nicht
voraussagen. Gewöhnlich mache ich den letzten Besuch bei Onkel Sal und kann von dort aus telefonieren.«
»Mir ist alles recht, Neeve. Nur noch eins: Bitte seien Sie vorsichtig! Sie sind eine wichtige Zeugin im Mordfall Ethel Lambston. Die Begegnung mit Seamus Lambston und seiner Frau hat
mich beunruhigt. Die beiden sind verzweifelt, Neeve. Ob schuldig oder nicht, sie möchten jedenfalls, daß die Untersuchung
eingestellt wird. Der Wunsch, Ihrem Vater alles zu erzählen,
kann spontan gewesen sein, aber auch einfach berechnend. Tatsache ist, daß Mörder sich nicht scheuen, nochmals zu töten,
wenn ihnen jemand in die Quere kommt.«
11
Da Montag Dennys freier Tag war, würde seine Abwesenheit im
Delikatessenladen nicht auffallen. Er wollte sich aber auch noch
das Alibi verschaffen, daß er den Tag im Bett verbracht hatte.
»Ich glaube, ich habe Grippe«, sagte er mit heiserer Stimme zu
dem gleichgültigen Portier in der Eingangshalle seines Apartmenthauses. Big Charley hatte ihn gestern hier in dieser Halle
ans Telefon rufen lassen. »Entweder wirst du sie sofort los, oder
wir suchen uns jemand, der dazu imstande ist.«
Denny wußte, was das bedeutete. Man würde ihn nicht weiter
herumlaufen lassen, da er sein Wissen von dem Auftrag ja irgendwann dazu benutzen könnte, vor Gericht Milde für sich zu
erwirken. Außerdem wollte er den Rest des Geldes haben.
Sorgfältig setzte Denny seinen Plan in die Tat um. Er ging in
den Drugstore an der nächsten Ecke, wandte sich hustend an den
Apotheker und bat ihn, ihm ein rezeptfreies Mittel zu empfehlen. Bei seiner Rückkehr ließ er sich absichtlich auf ein Gespräch mit dem dummen alten Frauenzimmer ein, das zwei Türen weiter wohnte und es darauf abgesehen hatte, sich mit ihm
anzufreunden. Fünf Minuten später kam er aus ihrem Zimmer
mit einem übelriechenden Tee in einem angeschlagenen Becher.
»Der kuriert jede Krankheit«, sagte sie zu ihm. »Ich sehe dann
später nach Ihnen.«
»Vielleicht können Sie mir gegen Mittag noch mal einen Tee
machen?« bat Denny weinerlich.
Er ging zur Toilette, die von den Mietern des ersten und zweiten Stockwerks gemeinsam benutzt wurde, und jammerte dem
alten Säufer, der geduldig vor der Tür wartete, etwas von
Bauchkrämpfen vor. Der Alte war nicht bereit, ihm den Vortritt
zu lassen.
Wieder in seinem Zimmer, packte Denny sorgfältig alle die
schäbigen Kleider zusammen, die er getragen hatte, als er Neeve
verfolgte. Man konnte nie wissen, ob nicht einer der Portiers ein
scharfes Auge hatte und eine genaue Beschreibung von jemandem geben konnte, der sich in der Nähe des »Schwab House«
aufgehalten hatte. Selbst die übereifrige Alte mit dem Hund. Sie
hatte ihn genau betrachten können. Denny zweifelte nicht daran,
daß ein Heer von Polizisten nach jedem kleinsten Anhaltspunkt
suchen würde, sobald die Tochter des ehemaligen Commissioners aus dem Weg geräumt war.
Er wollte die Kleider in der Nähe in eine Mülltonne werfen.
Das war noch leicht. Der schwierige Teil war, Neeve Kearney
von ihrem Laden bis in die Seventh Avenue zu folgen. Aber er
hatte sich schon etwas ausgedacht. Er besaß einen neuen grauen
Trainingsanzug, in dem ihn noch niemand gesehen hatte. Ferner
hatte er eine Punkerperücke und eine große Fliegerbrille. In dieser Aufmachung würde er aussehen wie einer der Boten, die auf
ihren Fahrrädern kreuz und quer durch die Stadt sausten und
Fußgänger über den Haufen fuhren. Er wollte sich mit einem
großen braunen Umschlag bewaffnen und darauf warten, daß
Neeve Kearney aus dem Geschäft kam. Wahrscheinlich würde
sie ein Taxi zum Modeviertel nehmen. Er wollte ihr in einem
andern Taxi folgen, dem Fahrer irgendeine Räubergeschichte
erzählen, daß sein Fahrrad gerade gestohlen worden sei und er
dieser Dame dringend die Papiere zustellen mußte.
Er hatte mit eigenen Ohren gehört, wie Neeve Kearney sich
um halb zwei mit einer dieser reichen Ziegen verabredet hatte,
die
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