Clark Mary Higgins
es sich leisten konnten, Unsummen für Kleider auszugeben.
Da es besser war, einen gewissen Spielraum für Irrtümer mit
einzukalkulieren, würde er lieber schon vor halb zwei zur Stelle
sein.
Es spielte keine Rolle, daß der Taxifahrer den Zusammenhang
herstellen konnte, wenn Neeve Kearney umgelegt war. Man
würde ja nach einem Punkertyp suchen.
Nachdem Denny seinen Plan festgelegt hatte, stopfte er das
Bündel mit den alten Kleidern unter sein Bett. Was für eine
Bruchbude, dachte er, als er sich in dem winzig kleinen Zimmer
umsah. Voller Küchenschaben. Stinkend. Ein Tisch, der nichts
anderes war als eine Orangenkiste. Aber sobald er diesen Job
erledigt und die zweiten zehntausend Piepen kassiert hatte, würde er gerade noch so lange bleiben, bis seine Bewährungsfrist
vorbei war, und dann hier abhauen. Und wie er abhauen würde!
Den restlichen Vormittag begab Denny sich noch des öfteren
zur Toilette und jammerte jedem, den er antraf, etwas von
Bauchschmerzen vor. Um zwölf Uhr mittags klopfte die alte
Hexe von seinem Flur an seine Tür und brachte ihm eine neue
Tasse Tee und ein altbackenes Brötchen. Er ging noch ein paarmal auf die Toilette, blieb hinter der verriegelten Tür stehen,
vermied es, die widerwärtigen Ausdünstungen einzuatmen, und
ließ andere so lange warten, bis sie murrend protestierten.
Um Viertel vor eins kam er herausgeschlurft und bemerkte zu
dem alten Säufer: »Ich glaub, es geht mir etwas besser. Ich hau
mich jetzt mal aufs Ohr.« Sein Zimmer lag im ersten Stock und
ging auf einen Hinterhof. Ein Dachvorsprung ragte über die unteren Stockwerke hinaus. Es dauerte nur wenige Minuten, bis
Denny seinen grauen Trainingsanzug angezogen, die Punkerperücke und Fliegerbrille aufgesetzt, das Bündel mit den Bettlerkleidern auf die Straße geworfen hatte und hinausgesprungen
war.
Er stopfte das Bündel tief in eine von Ratten verseuchte Mülltonne hinter einem Haus in der 108. Straße, nahm die Untergrundbahn zur Station Lexington und 84. Straße, besorgte sich
in einer Kaufhalle einen großen braunen Umschlag und Farbstifte, schrieb in Druckbuchstaben DRINGEND auf den Umschlag
und begab sich auf seinen Beobachtungsposten gegenüber von
»Neeve’s Boutique«.
Am Montag morgen um neun Uhr erhielt ein koreanisches
Frachtflugzeug, Flug Nr. 771, die Landeerlaubnis für den Kennedy Airport. Lieferwagen der Firma »Gordon Steuber Textiles«
warteten bereits, um die Kisten mit Kleidern und Sportbekleidung abzuholen, die in die Lagerhäuser auf Long Island gebracht werden sollten – Lagerhäuser, die in den Büchern der
Firma nirgends auftauchten.
Es waren auch noch andere da, die auf die Fracht warteten:
staatliche Justizbeamte, die sich anschickten, den wohl größten
Drogenfang der letzten zehn Jahre zu machen.
»Eine unglaubliche Idee«, bemerkte einer von ihnen, der im
Mechanikeranzug auf dem Rollfeld wartete. »Ich hab schon erlebt, daß das Zeug in Möbeln oder Puppen oder Hundehalsbändern oder Wegwerfwindeln versteckt war, aber noch nie in Haute-Couture-Kleidern.«
Das Flugzeug zog eine Schleife, landete und kam vor dem
Hangar zum Stehen. In Sekundenschnelle wimmelte es ringsum
von FBI-Beamten. Wenig später war die erste Kiste aufgebrochen, und die Säume einer wunderschön genähten leinenen Kostümjacke wurden aufgeschlitzt. In einen Plastikbeutel, den der
Chef der Operation darunterhielt, rieselte reines, unvermischtes
Heroin. »Jesses«, entfuhr es ihm, »allein in dieser Kiste muß
Stoff für mindestens zwei Millionen Dollar stecken. Lassen Sie
Steuber festnehmen.«
Um neun Uhr vierzig stürmten FBI-Leute in Gordon Steubers
Büro. Seine Sekretärin versuchte, ihnen den Weg zu verstellen,
wurde jedoch unsanft zur Seite geschoben. Steuber hörte mit
unbewegter Miene zu, als ihm die Rechtsbelehrung vorgelesen
wurde. Äußerlich ungerührt, sah er zu, wie ihm Handschellen
angelegt wurden. Innerlich tobte er vor tödlicher, rasender Wut,
und diese Wut richtete sich gegen Neeve.
Als man ihn hinausführte, blieb er vor seiner weinenden Sekretärin kurz stehen. »May«, sagte er, »sagen Sie lieber alle
meine Verabredungen ab. Vergessen Sie es nicht.«
Der Ausdruck in ihren Augen bestätigte ihm, daß sie verstanden hatte. Sie würde nichts davon verlauten lassen, daß vor
zwölf Tagen, am Mittwoch abend, Ethel Lambston in Steubers
Büro eingedrungen war und ihm gesagt hatte, daß sie über seine
Tätigkeit genau im Bild sei.
Douglas Brown schlief
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