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Claudius Bombarnac

Claudius Bombarnac

Titel: Claudius Bombarnac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Da sitzt der Bursche in seinem Kasten, wie die Schnecke in ihrem Hause. Sein »Heim« rollt mit ihm weiter, und er spart dabei so und so viel hundert Francs, die ihm die Fahrt von Tiflis nach Peking, selbst in zweiter Classe, gekostet hätte. Ich weiß zwar, das nennt man betrügen, und es giebt Gesetze, die einen solchen Betrug bestrafen – übrigens kann er ja seinen Kasten nach Belieben verlassen, im Gepäckwagen auf-und ab gehen und sich sogar, wenigstens in der Nacht, auf die Plattform hinausbegeben …. Nein, ich beklage den Mann nicht, und wenn ich bedenke, daß er an die Adresse einer hübschen Rumänin aufgegeben ist, so möcht’ ich seine Stelle fast selbst einnehmen.
    Da kommt mir ein Gedanke, den ich für vortrefflich halte und der es doch vielleicht nicht ist, nämlich der, leise an die Wand des Kastens zu klopfen, mit dem neuen Reisegefährten in Beziehung zu treten, um zu erfahren, wer er ist und woher er kommt, da ich ja weiß, wohin er geht. Eine brennende Neugier verzehrt mich. Ich muß sie befriedigen …. Es giebt Augenblicke, wo so ein Berichterstatter sich ganz in eine Evatochter verwandelt.
    Doch wie wird der arme Kerl die Sache aufnehmen? … Natürlich sehr gut. Ich werde ihm sagen, daß ich Franzose bin, und jeder Rumäne weiß, daß er sich einem solchen stets anvertrauen kann. Ich werde ihm meine Dienste anbieten, ihm vorschlagen, die Härte seiner Gefangenschaft durch Zwiegespräche zu mildern und sein dürftiges Mahl durch einige Leckereien zu würzen …. Er soll meine Besuche nicht zu bedauern, noch eine Unklugheit von mir zu befürchten haben.
    Ich klopfe an die Wand.
    Sofort erlischt das Licht.
    Der Gefangene hält den Athem an …
    Ich muß ihn beruhigen.
    »Oeffnen Sie, sage ich leise auf russisch … öffnen Sie mir ….« Noch hab’ ich den Satz nicht vollenden können, da erleidet der Zug einen Stoß und seine Geschwindigkeit nimmt auffallend ab.
    Wir sind doch noch nicht auf der Station Gheok-Tepe angelangt?
    Da hör’ ich von draußen rasen und schreien.
    Nun schnell aus dem Packwagen und die Thür wieder zu!
    Es war die höchste Zeit.
    Kaum bin ich auf der Plattform, als das Dienstcoupé sich schon öffnet. Popof verläßt dasselbe, ohne mich zu erblicken, begiebt sich in den Packwagen und von da aus nach der Locomotive.
    Fast gleichzeitig hat der Zug die gewöhnliche Schnelligkeit wieder erlangt, und Popof kommt gleich nachher wieder zum Vorschein.
    »Was ist denn geschehen, Popof?
    – Was sehr häufig geschieht, Herr Bombarnae, ein Dromedar ist überfahren worden ….
    – Armes Thier!
    – Armes Thier … das uns hätte zum Entgleisen bringen können …
    – Nun also, verwünschtes Thier!«
Achtes Capitel.
    Bevor der Zug die Station Gheok-Tepe erreichte, bin ich nach dem Waggon zurückgekehrt. Der Teufel hole jenes Dromedar! Hätt’ es sich nicht so ungeschickt überfahren lassen, so wäre meine Nummer 11 mir kein Unbekannter mehr. Er hätte seinen »Laden« geöffnet, wir hätten freundschaftlich ein Weilchen geplaudert und wären mit einem Händedruck von einander geschieden … Jetzt muß der arme Teufel doch höchst unruhig sein, da er weiß, daß sein Betrug entdeckt ist, daß es Einen giebt, dessen Absichten er mißtrauen muß, Einen, der vielleicht gar nicht zögert, sein Geheimniß zu verrathen …. Und wenn er dann aus seinem Kasten geholt wird, dann setzt man ihn auf der nächsten Station in noch sichreren Gewahrsam, und Fräulein Zinca Klork wird ihn in der Hauptstadt des Himmlischen Reiches ganz vergeblich erwarten!
    Ja, ja, ich muß ihn noch diese Nacht beruhigen. Das ist aber unthunlich, denn der Zug wird bald in Gheok-Tepe und später in Askhabad halten, von wo er mit Tagesanbruch weiter geht. Daß Popof weiter schliefe, ist auch nicht zu vermuthen.
    Noch überleg’ ich mir das hin und her, als die Locomotive um ein Uhr Nachts im Bahnhofe von Gheok-Tepe anhält. Von meinen Reisegenossen hat keiner sein Nachtlager verlassen.
    Ich steige aus und gehe in der Nähe des Packwagens auf und ab. Jetzt wäre ein Versuch, in diesen zu gelangen, entschieden zu gefährlich. Die Stadt zu besuchen, von der ich so gern etwas gesehen hätte, verhindert mich die Finsterniß. Nach dem, was mir der Major Noltitz davon erzählt hat, zeigt sie noch immer die Spuren des furchtbaren Sturmangriffs durch Skobeleff im Jahre 1880, zerschossene Mauern, zerstörte Bastionen …. Ich muß mich begnügen, alles das nur mit den Augen des Majors gesehen zu haben.
    Um zwei Uhr

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