Claudius Bombarnac
und Gheok-Tepe wird genannter Popof, so rechne ich, es nicht versäumen, ein Schläfchen zu machen, und dann oder niemals wird der Augenblick gekommen sein, mein Vorhaben zur Ausführung zu bringen.
Halt, ein Gedanke! Wenn das nun Zeitung wäre, der wieder eine solche unsinnige Fahrt machte, um nachher von dem freigebigen Publicum Geld herauszuschlagen …. Ja, ja, das muß er sein, das kann nur er sein! … Zum Teufel, seine Person ist gerade nicht mehr von besonderem Interesse! … Und ich, der sich schon sonst etwas auf diesen Eindringling einbildete … indeß, das wird sich zeigen; ich kenne ihn nach Photographien, und vielleicht kann ich ihn doch noch ein wenig ausschlachten ….
Eine halbe Stunde nach der Abfahrt sagt mir das Geräusch einer sich an der Plattform schließenden Thür, daß der Zugführer eben sein Coupé aufgesucht hat. Trotz meines Verlangens, dem Packwagen einen Besuch abzustatten, zügle ich meine Ungeduld, denn noch ist nicht anzunehmen, daß Popof eingeschlafen ist.
Im Innern unter den verschleierten Lampen ist Alles todtenstill. Draußen herrscht stockfinstere Nacht, in der man nur das Aechzen des Zuges vernimmt, das sich mit dem Pfeifen einer ziemlich scharfen Brise vermischt.
Ich erhebe mich, schlage den Vorhang einer Lampe zurück und sehe nach der Uhr ….
Wenige Minuten über elf. Noch zwei Stunden vor dem Anhalten des Zuges in Gheok-Tepe.
Der Augenblick ist da. Nachdem ich zwischen den Sitzen bis zur Thür des Waggons hingeschlichen, öffne ich diese behutsam und schließe sie ebenso wieder, ohne von meinen Reisegefährten gehört worden zu sein oder einen derselben erweckt zu haben.
Da steh’ ich nun auf der Plattform vor der Laufbrücke, die unter den Stößen des Zuges erzittert. Inmitten der unergründlichen Finsterniß, die den Kara-Korum verhüllt, empfinde ich so etwas von der nächtlichen Unendlichkeit des Meeres in der Umgebung eines einsamen Schiffes.
Ein schwacher Lichtschein stiehlt sich durch die Rollläden des Dienstcoupé’s. Soll ich warten, bis er verlöscht, oder ist es nicht vielmehr wahrscheinlich, daß er bis Tagesanbruch fortdauert?
Jedenfalls ist Popof noch nicht eingeschlafen, was ich aus dem Geräusch erkenne, das er erzeugt, wenn er sich umwendet. Ich verhalte mich mäuschenstill und stütze mich auf das Geländer der Plattform.
Im Vorbiegen treffen meine Blicke den Lichtschein, den die Laterne vorn an der Maschine hinausstrahlt. Es sieht aus, als rasten wir auf feurigem Wege dahin. Ueber mir jagen sich die Wolken mit unheimlicher Schnelligkeit am Himmel, und nur einzelne Sterne, wie die Cassiopeja, der Kleine Bär im Norden und die Vega in der Leier blinken dann und wann durch die Risse derselben hervor.
Sonst herrscht vollständiges Schweigen von einer Plattform zur andern. Trotz seiner Pflicht, das Personal des Zuges zu überwachen, hat Popof die Augen zum Schlummer geschlossen.
Jetzt vollkommen sicher, überschreite ich die Laufbrücke und stehe nun vor dem Packwagen. Dessen Thür ist nur durch einen, in zwei Krampen laufenden Riegel verschlossen. Ich öffne und schließe sie hinter mir wieder zu.
Das ging ohne Geräusch ab; denn wenn ich Popof’s Aufmerksamkeit nicht erregen will, so möcht’ ich doch auch die Aufmerksamkeit des »freiwillig Eingekerkerten« nicht auf mich lenken.
Trotz der tiefen Finsterniß im Innern des Packwagens, der ja keine Seitenfenster hat, gelingt es mir, mich zurecht zu finden. Ich weiß, wo der Kasten steht – gleich links vom Eingang. Vorzüglich kommt es darauf an, daß ich hier an kein Frachtstück stoße, umsomehr, als diese Fulk Ephrjuell gehören, und das sollte eine schöne Bescheerung werden, wenn eines derselben mit seinen Packeten künstlicher Zähne herunterpurzelte!
Vorsichtig mit Fuß und Hand mich vorwärts tastend, komme ich in Berührung mit dem Kasten. Die Füße einer Fliege hätten sich auf diesen nicht leichter niederlassen können als meine Hand, als ich über alle Kanten desselben hinstrich.
Ich bücke mich und lege furchtsam das Ohr an die Vorderwand … kein Athem zu hören.
So still verhalten sich kaum die Erzeugnisse des Hauses Strong Bulbul and Co. von New-York.
Da überfällt mich eine Angst – die Angst, alle meine Reporterhoffnungen schmählich scheitern zu sehen. Hatt’ ich mich am Bord der »Astara« doch etwa getäuscht? Das Athmen, das unterdrückte Niesen nur geträumt? Ist in diesem Behälter Niemand eingeschlossen – nicht einmal Zeitung? Enthält dieser
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