Claudius Bombarnac
wir um sechs Uhr Morgens ankommen.
Zwei Stunden Aufenthalt sind gleich zwei Stunden Spaziergang. Ich bin unterwegs, um Duchak in Gesellschaft des Majors Noltitz, der mir wiederum als Führer dient, flüchtig zu besichtigen.
Ein Reisender hat den Bahnhof schon vor uns verlassen; ich erkenne Sir Francis Trevetiyan. Der Major macht mich aufmerksam, daß das Gesicht dieses Herrn noch verdrießlicher aussieht, daß seine Lippen einen noch verächtlicheren Ausdruck zeigen und seine Haltung mehr als je echt angelsächsisch ist.
»Und wissen Sie, warum, Herr Bombarnae? setzt er hinzu. Weil von hier, der Station Duchak, aus bis an den Endpunkt der Eisenbahnen Englisch-Indiens eine Linie, die die Grenze von Afghanistan, Kandahar, die Bergpässe von Bolan und die Oase von Pendjech durchzöge, hinreichen würde, beide Netze in Verbindung zu setzen.
– Und diese Linie würde messen? …
– Kaum tausend Kilometer; die Engländer versteifen sich aber darauf, den Russen in keiner Weise die Hand zu bieten. Und welcher Vortheil wäre es für ihren Handelsverkehr, binnen zwölf Tagen von London nach Calcutta gelangen zu können.«
So lustwandeln wir plaudernd durch Duchak dahin. Schon seit einer Reihe von Jahren sah man die Wichtigkeit voraus, die diese bescheidene Ortschaft erlangen würde Eine Zweiglinie verbindet sie mit Teheran in Persien, während nach den indischen Eisenbahnen hin noch keine solche geplant ist. So lange Leute von dem Schlage jenes Sir Francis Trevellyan im Vereinigten Königreiche die Majorität haben wird das asiatische Netz auch niemals völlig ausgebaut werden.
Ich stelle nun dem Major die Frage, wie es sich auf der Groß-Transasiatischen Bahn auf der Strecke durch Centralasien mit der wünschenswerthen Sicherheit verhält.
»In Turkestan, antwortet er mir, ist die Sicherheit vollständig gewährleistet. Hier überwachen russische Beamte unausgesetzt die Bahn; in der Nähe der Bahnhöfe befindet sich stets verläßliche Polizei, und da die Stationen nahe bei einander liegen, glaube ich nicht, daß die Reisenden hier irgend etwas zu fürchten haben. Die turkmenische Bevölkerung hat sich übrigens den oft harten Anforderungen der russischen Verwaltung fügen gelernt. Seit der Zeit, wo die Transcaspische Bahn betrieben wird, ist noch kein Zug durch einen Ueberfall aufgehalten worden.
– Das ist ja recht befriedigend, Herr Major. Was aber nun den weiteren Theil zwischen der Grenze und Peking angeht …
– O, da liegt die Sache freilich anders, antwortet der Major Noltitz. Auf der Hochebene von Pamir und bis nach Kaschgar wird die Strecke scharf überwacht; darüber hinaus aber steht die Groß-Transasiatische Bahn unter der Aufsicht der chinesischen Verwaltung, zu der ich nur sehr beschränktes Vertrauen habe.
– Sind die Stationen dort weit entfernt von einander? …
– Zuweilen sehr weit.
Beide sehen auf den Packwagen, der am Ende des Zuges angekoppelt wird (S. 93.)
– Und treten dann an Stelle russischer nicht chinesische Beamte? …
– Ja, nur mit Ausnahme unseres Popof, der den Zug bis zum Endpunkt begleitet.
– Dann werden wir also als Schaffner, Locomotivführer und Heizer lauter Söhne des Himmlischen Reiches haben? … Ich muß gestehen, Herr Major, daß mich das etwas beunruhigt, und die Sicherheit der Reisenden …
– Sie irren, Herr Bombarnae, die Chinesen sind nicht minder zuverlässige Beamte als die unseren, und sie geben vortreffliche Maschinenführer ab Dasselbe gilt bezüglich der Ingenieure, die die Bahn durch das Himmlische Reich mit großer Geschicklichkeit hergestellt haben. Unzweifelhaft ist es eine intelligente Menschenrasse, diese gelbe Rasse, und für industrielle Fortschritte zugänglich.
– Ich glaub’ es, Herr Major, da sie ja doch dereinst die Beherrscherin der Welt werden wird … Natürlich erst nach der slavischen.
– Was die Zukunft im Schooße birgt, weiß ich nicht, erwidert der Major lächelnd. Doch um auf die Chinesen zurückzukommen, so muß ich bekennen, daß sie ein lebhaftes Fassungsvermögen and eine erstaunliche Leichtigkeit besitzen, sich in etwas einzuleben. Ich habe sie bei der Arbeit beobachtet und spreche aus Erfahrung.
Der Deutsche fällt der Länge nach hin. (S. 94).
– Zugegeben; wenn aber von dieser Seite nichts Besonderes zu fürchten ist, so durchstreifen doch wohl zahlreiche Verbrecher die weiten Wüsten der Mongolei und des westlichen China? …
– Und Sie glauben, daß diese Burschen frech genug sein
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