Claudius Bombarnac
mit herrlichster Aussicht, der Haremsgemächer, worin die tausend Frauen des Sultans – hundert mehr als die Salomos – in bestem Einvernehmen wohnten, der sein verzierten Façaden, der von Jahrhunderte alten Weinbergen umrahmten Gärten … alles das hätten Sie sehen können ….
– Und das werd’ ich durch Ihre Augen gesehen haben, lieber Major. Meine Leser sollen keine Ursache zu klagen haben. Ich bitte Sie nur, mir mitzutheilen, ob sich in Kokhan auch Bazare vorfinden?
– Eine Stadt Turkestans ohne Bazare, die wäre ein London ohne Docks, erwidert der Major.
– Und ein Paris ohne Theater! ruft der Comödiant dazwischen.
– Ja, Kokhan besitzt Bazars, darunter einen auf der Brücke des Soth, der die Stadt mit zwei Armen durchschneidet, und in dem die schönsten Seidengewebe Asiens mit Goldtillahs zu drei Rubel sechzig Kopeken unsrer Münze bezahlt werden.
– Sie unterrichten mich gewiß nach den Bazaren auch etwas über die Moscheen, Herr Major ….
– Gewiß.
– Und über die Medressen?
– Natürlich, mein Herr Reporter; doch das beschränkt sich auf die Versicherung, daß diese Bauwerke weder den Medressen noch den Moscheen von Samarkand oder Bukhara das Wasser reichen können.«
Ich habe mir die Gefälligkeit des Major Noltitz zunutze gemacht, und so werden die Leser des »XX. Jahrhundert« die Nacht nicht in Kokhan zuzubringen haben. Ich lasse meine Feder diese Stadt mit Sonnenstrahlen überfluthen – obwohl ich von ihr nur unbestimmte Umrisse zu sehen bekomme.
Die Tafel zieht sich recht lange hin und schließt in unerwarteter Weise mit dem Angebot des Herrn Caterna, »einen Monolog zu declamiren«.
Es mag dahingestellt bleiben, ob das Anerbieten mit gar so großem Eifer angenommen wurde.
Unser Zug gleicht mehr und mehr einer kleinen rollenden Stadt. Diese hat sogar ein Casino, den Dining-car, worin wir eben versammelt sind. Und so wurde denn im östlichen Theile von Turkestan, vierhundert Kilometer vom Hochlande von Pamir, als Dessert einer vorzüglichen, im Salon der Groß-Transasiatischen Bahn aufgetragenen Mahlzeit, die »Teufelsanfechtung« von Herrn Caterna, dem für die nächste Saison engagirten ersten Komiker des Theaters in Shangai mit großem Talente zum Vortrag gebracht.
»Mein Herr, wendet sich Pan-Chao an den Declamator, ich mache Ihnen mein bestes Compliment. Ich habe schon den jüngeren Coquelin gehört …
– Einen Meister der Kunst, mein Herr, einen Meister! … ruft Herr Caterna.
– Dem Sie sehr nahe kommen …
– In aller Ehrerbietung, versteht sich!«
Die Herrn Caterna dargebrachten Bravorufe haben Sir Francis Trevellyan nicht aufzurütteln vermocht, denn dieser stößt nur einige onomatopoëtische Laute über die Mahlzeit hervor, die er abscheulich gefunden hat. Er hat sich gar nicht amüsirt, nicht einmal »traurig«, wie seine Landsleute schon vor vierhundert Jahren, wenn man Froissart’s Mittheilungen Glauben schenken darf.
Kokhan besitzt Bazars, darunter einen auf der Brücke des Sokh. (S. 150.)
Uebrigens achtet Niemand auf die Ausbrüche des knurrigen Gentleman. Der Baron Weißschnitzerdörser hat kein Wort von jenem kleinen Meisterwerke verstanden, und wenn er es verstand, hätte er doch dieser Probe »parisischer Monologomanie« keinen Beifall schenken können.
Die »Teufelsanfechtung«, von Herrn Caterna zum Vortrag gebracht. (S. 151.)
Was den Seigneur Farusklar und den von ihm unzertrennlichen Ghangir angeht, scheint trotz ihrer gewohnten Zurückhaltung, daß das sprechende Minenspiel, die bezeichnenden Gesten, der oft drollige Ton des Herrn Caterna sie in gewissem Maße interessirt haben.
Der Comödiant hat es bemerkt, und er ist für solchen stummen Beifall sehr feinfühlig. Beim Aufstehen von der Tafel sagt er mir auch:
»Er ist einfach großartig, dieser Seigneur! … Welche Würde! Welch’ stattliche Erscheinung! … Der reinste Typus des Orientalen! … Sein Begleiter gefällt mir schon weniger … höchstens einer für kleine Nebenrollen. Jener stolze Mongole aber, Caroline, wenn Du den im Moralès’ ›Piraten der Savannen‹ sähst!
– Nur nicht in diesem Costüm! bemerke ich.
– Warum denn nicht, Herr Claudius? … In Perpignan hab’ ich einmal den Oberst von Montéclin in der ›Closerie des Genets‹ in der Tracht eines japanischen Officiers gespielt ….
– Und zwar mit donnerndem Beifall!« versichert Frau Caterna.
Während des Essens ist der Zug an der Station Kastakos inmitten einer recht bergigen
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