Claudius Bombarnac
übrigens hierbei nicht selbst, sondern nur der Major Noltitz.
Die Reisenden der arischen Völker haben alle zur Erforschung des Pamirplateaus beigetragen. Ohne bis zum dreizehnten Jahrhundert und auf Marco Polo zurückzugreifen, treffen wir hier von den Engländern Forsyth, Douglas, Biddueph, Younghusband und den berühmten Gordon, der am oberen Nil den Tod fand; von den Russen Fendchenko, Skobeleff, Prjevalsky, Grombtchevsky, den General Pevtzoff, den Fürsten Galitzin, die Brüder Groum-Grjimailo, die Franzosen d’Auvergne, Bonvalot, Capus, Papin, Breteuil, Blanc, Ridgway, O’Connor, Dutreuil de Rhins, Joseph Martin, Grenard, Edouard Blanc; von Schweden den Doctor Sven-Hedin. Dank dieser Forscherzüge möchte man jetzt sagen, daß ein hinkender Teufel dieses Dach der Welt mit magischer Hand aufgehoben habe, um die Geheimnisse darunter zu zeigen. Man weiß jetzt, daß das Land aus einem kaum entwirrbaren Netze von Thälern besteht, deren mittlere Wandhöhe dreitausend Meter übersteigt; man weiß, daß es beherrscht wird von dem Gipfel des Gurundi und des Kauffmann, die beide zweiundzwanzigtausend Fuß, und von der Spitze des Tagarma, die siebenundzwanzigtausend Fuß hoch ist; man weiß, daß von diesen Höhen der Oxus und der Amu-Darja nach Westen und der Tarim nach Osten zu abfließen, und man weiß endlich, daß das Rückgrat des Gebirges meist aus Urgebirge mit Schiefer und Quarz aufgebaut ist, über dem der Buntsandstein der secundären Periode liegt, welcher schließlich von dem sandig-thonigen Löß bedeckt ist, dessen quaternäre Schicht in Asien überall zu Tage tritt.
Die Groß-Transasiatische Bahn hat zur Ueberschreitung dieses Hochlandes ganz außerordentliche Schwierigkeiten zu überwinden gehabt. Das war eine Herausforderung des Menschengeistes gegen die Natur, und dem Menschengeiste ist der Sieg geblieben. Durch die selbst weniger steil abfallenden Pässe, die die Kirghisen »Bels« nennen, erforderte der Bau dieses Schienenweges doch eine Unzahl von Viaducten, Brücken, Dämmen, Einschnitten und Tunnels. Ueberall sind scharfe Windungen, Steigungen, die nur mit den stärksten Maschinen zu besiegen sind und die da und dort sogar stationäre Maschinen erfordern, um die Züge an starkem Drahtseil in die Höhe zu schleppen; mit einem Worte, es war eine Herculesaufgabe, und weit überlegen den Arbeiten der amerikanischen Ingenieure in den Engpässen der Sierra Nevada und der Felsengebirge.
Die Oede dieses Gebiets macht auf die Phantasie einen eigenartigen Eindruck. Je nachdem der Zug längs mehrfach sich senkender und hebender Strecken höher hinausgelangt, wird dieser Eindruck noch fühlbarer. Flecken und Weiler giebt es nicht. Nur vereinzelte Hütten, wo der Pamirier mit seinen Angehörigen ein Einsiedlerleben führt und in deren Umgebung seine Heerden von Pferden, Yaks oder »Kutars«, das sind eine Art Stiere mit Pferdeschweif, von kleinen Bergschafen und dicht behaarten Ziegen weiden. Die Mauserung dieser Thiere ist eine natürliche Folge des Klimas, dementsprechend sie das dunklere Winterkleid des Stalles mit dem weißen Fell des Sommers, und umgekehrt, vertauschen. Dasselbe gilt von den Hunden, deren Fell in der warmen Jahreszeit auch heller wird.
»Das war für Dich, Gretelein!« jubelte Herr Caterna. (S. 162.)
Breitere Durchbrüche lassen bisweilen das Hochland weithin übereinandergesattelt überblicken. Da und dort stehen Gruppen von Wachholder und Birken, die hauptsächlichsten Bäume Pamirs, und auf wellenförmigen Ebenen wuchern die Tamarinde, das Riedgras, der Eiswermuth, hier eine Art Schilf, das an den mit salzigem Wasser gefüllten Bodensenken in großer Menge vorkommt, und eine Zwerglabiate, die von den Kirghisen »Terskenne« genannt wird.
Der Major erwähnt auch noch verschiedener Thiere, die eine ziemlich artenreiche Fauna der Berghöhen von Pamir bilden. Es macht sich sogar eine Bewachung der Plattformen nöthig zur Abwehr gewisser Säugethiere, die weder auf die erste, noch auf die zweite Wagenclasse ein Anrecht haben – unter andern Panther und Bären. Tagsüber halten sich unsre Reisegefährten auf dem Vorder-und dem Hintertheile der Waggons auf. Zuweilen hört man einen Aufschrei, wenn jene Plattfüßler oder Wildkatzen mit höchst verdächtiger Absicht längs des Gleises daherjagen. Wiederholt werden Revolverschüsse abgegeben vielleicht weniger aus Nothwendigkeit, als weil sie ebenso zur Unterhaltung, wie zur Beruhigung der Reisenden beitragen. Am Nachmittage
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