Claudius Bombarnac
gethan und ich empfahl ihm noch die äußerste Vorsicht. Die Mundvorräthe sind ihm höchst angenehm, sie bringen etwas Abwechslung in seinen magern Speisezettel.
»Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll, Herr Bombarnae, sagt er.
– Wenn Sie das nicht wissen, Freund Kinko, habe ich geantwortet, so sehen Sie doch ganz davon ab, das ist ja das Einfachste.
– Wie lange Zeit bleiben wir in Kokhan?
– Zwei Stunden.
– Wann werden wir an der Grenze sein?
– Morgen gegen ein Uhr Mittags.
– Und in Kaschgar?
– Fünfzehn Stunden später, also mitten in der Nacht vom 19. zum 20.
– Da wird’s gefährlich, Herr Bombarnae ….
– Ja wohl, Kinko. Wenn es schon schwierig ist, in die russischen Besitzungen hineinzukommen, so ist es nicht minder schwierig, dieselben wieder zu verlassen, wenn die Chinesen am Thore stehen. Immerhin beschränkt sich diese Strenge nur auf die Reisenden selbst, dehnt sich aber nicht auf deren Gepäck aus. Da nun dieser Packwagen nur für die Frachtstücke bestimmt ist, die nach Peking durchgehen, so hoffe ich, daß Sie nichts zu fürchten haben. Gute Nacht also. Ich möchte meinen Besuch aus Vorsicht nicht weiter verlängern.
– Gute Nacht, Herr Bombarnae, gute Nacht!«
Ich bin glücklich heraus, habe meine Lagerstätte erreicht, und wahrlich, ich habe nicht einmal das Abfahrtszeichen gehört, als der Zug sich in Bewegung gesetzt hat.
Die einzige, etwas wichtigere Station, die der Zug vor Sonnenaufgang berührt hat, ist Marghelan, wo nur ein kurzer Aufenthalt gewesen ist.
Marghelan, eine volkreiche Stadt mit sechzigtausend Einwohnern, ist in Wirklichkeit die Hauptstadt von Ferganäh. Das kommt daher, daß Kokhan bezüglich seiner Gesundheitsverhältnisse nicht im besten Rufe steht. Die Stadt ist selbstverständlich doppelt, hier russisch, dort turkmenisch. Die letztere, der es an denkwürdigen Bauten und dergleichen ganz fehlt, bietet auch sonst nichts besonders Sehenswerthes, und meine Leser werden mir verzeihen, daß ich meinen Schlummer nicht unterbrochen habe, um einen Blick auf jene zu werfen.
Jetzt dem Thale von Schakhimardan folgend, gelangt der Zug schließlich noch einmal nach einer Art längeren Steppe, wo er wieder mit normaler Geschwindigkeit dahinsausen kann.
Um drei Uhr Morgens ist ein Aufenthalt von fünfundvierzig Minuten auf der Station Och.
Auch hier hab’ ich meine Reporterpflichten schmählich vernachlässigt und nichts gesehen. Meine Entschuldigung ist nur die, daß nichts zu sehen war.
Jenseits dieser Station erreicht die Eisenbahn die Grenze, die Russisch. Turkestan vom Plateau von Pamir und von dem Gebiete der Kara-Kirghisen scheidet.
Dieser Theil Centralasiens wird unablässig von plutonischer Thätigkeit, die die Eingeweide der Erde erschüttert, beunruhigt. Wiederholt ist das westliche Turkestan von heftigen Erdstößen betroffen worden – das furchtbare Erdbeben von 1887 ist ja noch in frischer Erinnerung – in Taschkend und Samarkand hab’ ich noch die Spuren jener schrecklichen Erschütterungen erkennen können.
Ganz schwache Oscillationen werden fast unausgesetzt beobachtet, und diese vulcanische Thätigkeit geht offenbar in den ausgedehnten Bezirken vor sich, in denen das Petroleum und die Naphta vom Caspisee bis zu den Bergen von Pamir aufgesammelt sind.
Diese Gegend bildet alles in allem eine der interessantesten Partien Centralasiens, die ein Tourist nur besuchen kann. Ist der Major Noltitz auch niemals weiter als bis zur Station Och am Fuße des Hochlandes gekommen, so kennt er doch das Gebiet sehr genau aus den neueren Karten und Schilderungen der zuletzt ausgeführten Reisen. Unter diesen erwähne ich nur die Capus’ und Bonvalot’s – wieder zwei französische Namen, die ich außerhalb Frankreichs mit Freuden begrüße. Den Major verlangt es übrigens auch gar sehr, Alles selbst zu sehen, und es ist kaum sechs Uhr Morgens, da befinden wir uns Beide mit den Fernrohren und dem Fahrplan in der Hand auf der Plattform.
Pamir oder Bam-i-Duniah wird allgemein das »Dach der Welt« genannt. Von hier strahlen die mächtigen Bergketten des Tian-Chan, des Kuen-Luen, Karakorum, Himalaya und des Hindu-Kusch aus. Dieses vierhundert Kilometer breite orographische System, das Jahrhunderte lang eine unübersteigliche Schranke bildete, ist von moskowitischer Zähigkeit überwunden worden. Die slavische und die gelbe Rasse haben sich hier die Hand gereicht.
Man gestatte mir eine kurze Belehrung über diesen Gegenstand – ich spreche
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