Claudius Bombarnac
ganz geläufig spricht.
Zu überlegen gab’s ja hierbei nichts. Alle halten es für unbedingt geboten, umzukehren, um den Packwagen wieder ankuppeln zu können.
Nur der deutsche Baron macht Einwendungen …. Wieder Verzögerungen …. Eine lange Zeit wegen eines Mandarinen … eines todten Mandarinen zu vergeuden …
Man ließ den alten Brummbär knurren.
Sir Francis Trevellyan zuckte nur die Achseln, als wollt’ er sagen:
»Welch lüderliche Verwaltung … Welcher Schund von Material! … Solche Dinge könnten auf einer anglo-indischen Bahn nicht vorkommen!«
Der Major Noltitz ist gleich mir verdutzt über die so auffallende Einmischung des Seigneurs Faruskiar; dieser sonst so ruhige, unerregbare Mongole mit dem kalten Blick unter den unbeweglichen Lidern läuft jetzt hin und her und scheint seine unerklärliche Unruhe gar nicht bemeistern zu können. Sein Begleiter benimmt sich kaum anders. Was kann es die Beiden denn angehen, daß sich jene zwei Wagen abgelöst haben? Ihr Gepäck ist ja nicht einmal im Schlußwagen enthalten. Sollten sie nur für den hochseligen Mandarin so ins Feuer gehen? … Betrachteten sie aus gleicher Ursache auf dem Bahnhofe zu Duchak so aufmerksam den Wagen, der den Körper des Entseelten barg? … Ich sehe deutlich, daß der Major dieses Verhalten außerordentlich verdächtig findet.
Sobald wir unsre Plätze wieder eingenommen haben, bewegt sich der Zug rückwärts. Der deutsche Baron will noch Einspruch erheben; der Seigneur Faruskiar schleudert ihm aber einen so wilden Blick zu, daß er es vorzieht, sich keinen zweiten der Art zu holen, und so drückt er sich brummend in seine Ecke.
Im Osten graute der Tag ein wenig, als die beiden Wagen in der Entfernung etwa eines Kilometers entdeckt wurden, und nach einstündiger Rückfahrt langte der Zug bei ihnen an.
Der Seigneur Farnsklar und Ghangir haben bei der Wiederankuppelung, die mit größter Sorgfalt ausgeführt wurde, helfen wollen. Major Noltitz und ich haben bemerkt, daß Beide einige Worte mit den drei andern Mongolen wechselten. Das wäre ja nichts besonders Erstaunliches, denn sie sind ja alle Landsleute.
Jeder begiebt sich wieder in seinen Waggon und der Maschinist giebt mehr Dampf, um etwas von der verlornen Zeit einzubringen.
Trotzdem kommt der Zug in Kaschgar mit nicht unbeträchtlicher Verspätung an, und es ist viereinhalb Uhr Morgens, als er in die Hauptstadt des chinesischen Turkestan einläuft.
Sechzehntes Capitel.
Kaschgarien ist das östliche Turkestan, das sich allmählich in das russische Turkestan verwandelt.
Mitarbeiter der »Neuen Revue« äußerten darüber:
»Central-Asien wird ein großes Land erst an dem Tage sein, wo die moskowitische Regierung ihre Hand auf Tibet gelegt hat oder die Russen in Kaschgar zur Herrschaft kommen.«
Nun, das ist schon halb geschehen! Die Durchbrechung des Pamirgebietes hat es ermöglicht, die russische Eisenbahn mit der, die das Himmlische Reich von einer Grenze zur andern durchzieht, unmittelbar zu verknüpfen. Die Hauptstadt Kaschgariens ist jetzt ebensoviel russisch wie chinesisch. Die slavische und die gelbe Rasse berühren sich hier und leben friedlich nebeneinander. Wie lange das andauern werde? Ja, in die Zukunft mögen Andre blicken, ich beschränke mich auf die Gegenwart.
Um viereinhalb Uhr angekommen, um elf Uhr weiter gefahren. Die Groß-Transasiatische Bahn hat sich edelmüthig gezeigt. Ich werde Muße haben, Kaschgar zu besichtigen, natürlich nur unter Abschneidung einer Stunde von der uns gegebenen Zeit.
Was an der Grenze unterblieb, sollte in Kaschgar nachgeholt werden. Handelt es sich um Scheerereien bei nichtsnutzigen Formalitäten, um Beglaubigung von Papieren, um Durchsicht von Pässen u. dergl., da leisten die Chinesen nicht weniger als die Russen. Da giebt es dieselbe kleinliche und peinliche Schnüffelei, der wir uns unterwerfen müssen. Hier darf man die schreckliche, bedrohliche Mahnung nicht in den Wind schlagen, die jeder Beamte des Himmlischen Reiches unter alle von ihm ausgefertigten Papiere setzt – »Zittert und gehorcht!« lautet sie. Ich bin entschlossen, zu gehorchen und werde auch wieder vor den Grenzbehörden erscheinen. Dabei erinnere ich mich auch der von Kinko geäußerten Befürchtungen, und höchstens hätt’ ich um seinetwillen zu zittern, wenn sich die Untersuchung hier von den Reisenden auch auf deren Gepäckstücke ausdehnen sollte.
Vor der Ankunft in Kaschgar hatte mir der Major Noltitz noch gesagt:
»Glauben Sie ja
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