Claudius Bombarnac
schienen die mit uns rollenden Millionen nicht besonders zu erregen. Sie bringen den Comödianten nur zu dem Ausrufe:
»Alle Wetter, Caroline, welch’ schönes Theater könnte man mit diesem Geld erbauen!«
Das Schlagwort in unsern Verhältnissen hat jedoch der amerikanische Geistliche, der Reverend Nathaniel Morse, der in Kaschgar eingestiegen war, ausgesprochen:
»Es ist stets beunruhigend, eine Pulverkammer mit sich zu führen!«
Das ist ganz treffend gesagt, denn jener Wagen mit dem kaiserlichen Schatze ist eine Pulverkammer, die uns gelegentlich in die Luft sprengen kann.
Die erste, 1877 in China eröffnete Eisenbahn verband Shangaï mit Fu-Tcheu. Die Groß-Transasiatische Bahn folgt ziemlich der 1874 von Rußland vorgeschlagenen Linie über Taschkend, Kuldja, Kami, Lan-Tchen, Singan und Shangaï. Diese Bahn führt aber nicht durch die volkreichen Provinzen des Innern, die man wohl mit ungeheuren, summenden Bienenstöcken vergleichen kann, welche sich immer weiter vermehren. So viel wie möglich hält sie bis Su-Tcheu eine gerade Linie ein und biegt erst dann nach Lan-Tcheu ab. 1 Die Verbindung mit einigen Städten ist nur durch Zweiglinien hergestellt, die sie nach Süden und Südosten entsendet. Unter andern wird eine solche Nebenstrecke, die von Taï-Yunau nach Nanking, diese beiden Städte der Provinzen Chan-sin und Chan-Toong mit einander verknüpfen. Zur Zeit hat aber ein noch nicht vollendeter großer Viaduct die Eröffnung dieser Strecke noch verhindert.
Gänzlich vollendet und den Verkehr durch Centralasien vermittelnd ist nur die Hauptlinie der Groß-Transasiatischen Bahn. Die Ingenieure haben hier nicht mehr Schwierigkeiten gehabt, als der General Annenkof bei der Erbauung der Transcaspischen, die Strecken von Kara-Korum und von Gobi sind sich ganz ähnlich; sie weisen dieselbe Horizontalität des Erdbodens, die von keinen Erhöhungen oder Senkungen unterbrochen wird, auf und bieten sich damit gleichmäßig leicht für die Legung der Schwellen und der Schienen. Hätte man freilich die gewaltige Bergkette von Kuen-Luen, Nan-Chan, Amir, Gangar-Oola, die sich an der Grenze von Tibet aufthürmt, durchbrechen müssen, so würde wohl kaum ein Jahrhundert hingereicht haben, alle Schwierigkeiten zu überwinden. Auf flachem oder sandigem Terrain aber konnte der Eisenbahnbau bis Lan-Tcheu fast so schnell fortschreiten, wie der einer Decauville’schen Feldbahn.
Erst in der Umgebung dieser Stadt hatte die Ingenieurkunst einen harten Kampf mit der Natur zu bestehen. Hier beginnt der kostspielige und schwierige Durchbruch durch die Provinzen Kan-Su, Chan-Si und Petchili.
Auf dem nächsten weiteren Wege werd’ ich mich darauf beschränken, einige der wichtigsten Stationen anzuführen, an denen der Zug zur Einnahme von Wasser und Heizmaterial Halt macht. Rechts von der Straße wird der Blick fortwährend von einem hohen Berghorizonte gefesselt, jenen malerischen Höhenzügen, die das Plateau von Tibet im Norden einrahmen. Links dagegen verliert er sich weit hinaus über die endlosen Steppen von Gobi. Das ist der Hauptcharakter der Länder, die das chinesische Reich, wenn auch nicht das eigentliche China, bilden, denn Letzteres werden wir erst mit der Annäherung an Lan-Tcheu zu Gesicht bekommen.
Alles vereinigt sich also, um diesen zweiten Theil der Reise recht wenig interessant zu machen – wenn der Gott der Chronisten uns nicht an Zwischenfällen ersetzt, was die Natur an Eindrücken mangeln läßt. Es scheint mir zwar, als besäßen wir hier drin verschiedene Elemente, aus denen ich mit etwas Glück und Phantasie schon eine pikante Schilderung zusammendichten könnte.
Um elf Uhr verläßt der Zug den Bahnhof von Khotan, und es ist fast zwei Uhr Nachmittags, als er in Kerim – nachdem er die Stationen Urany, Lengar, Pola und Tschieria durchfahren hat – eintrifft.
In den Jahren 1889 bis 1890 durchwanderte genau diese Strecke Pevtzoff von Khotan aus bis zum Lob Nor am Fuße des Kuen-Lun, der Chinesisch-Turkestan von Tibet trennt. Der russische Reisende kam dabei über Keria, Nia und Tcherichen, was wir jetzt mit solcher Leichtigkeit abmachen, während seine Karawane mit so vielen Gefahren und Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Das verhinderte ihn aber nicht, zehntausend Kilometer Wegstrecke kartographisch aufzunehmen, woneben er noch die Lage vieler Orte nach geographischer Länge und Breite bestimmte. Es macht der russischen Regierung alle Ehre, das Werk Prjevalsky’s in dieser Weise fortgesetzt
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