Claudius Bombarnac
zu haben.
Vom Bahnhof Keria aus erblickt man im Südwesten noch die Höhen des Karakorum und die Dapsany-Spitze, der manche Kartographen eine Höhe von über achttausend Metern beimessen. Ihr zu Füßen dehnt sich die Provinz Kaschmir aus. Hier entspringt der Indus aus bescheidenen Quellen, die einen der größten Ströme der Halbinsel nähren. Hier sondert sich vom Hochlande von Pamir die gewaltige Himalaya-Kette ab, deren Gipfel auf der ganzen Erde am höchsten emporsteigen.
Von Khotan aus haben wir hundertfünfzig Kilometer binnen vier Stunden zurückgelegt. Das ist ja nicht viel, doch darf man auf diesen Theile der Transasiatischen Bahn nicht die Geschwindigkeit der Transcaspischen erwarten wollen. Entweder eignen sich die chinesischen Locomotiven an sich nicht dazu, oder deren von Natur etwas indolente Führer meinen die Zurücklegung von dreißig bis vierzig Kilometern in der Stunde sei das Maximum, was auf Bahnen des Himmlischen Reiches geleistet werden könne.
Um fünf Uhr Nachmittags berühren wir eine andre Station, Nia, wo der General Pevtzoff ein meteorologisches Observatorium eingerichtet hatte. Hier ist nur fünf Minuten Aufenthalt. Ich habe nur Zeit, im Bahnhofe einige Lebensmittel zu erkaufen. Für wen sie bestimmt sind, weiß ja der freundliche Leser.
Die von unserm Zug weiter aufgenommenen Reisenden sind nun ausschließlich Chinesen, Männer oder Frauen …. Nur selten fahren diese in erster Classe und begleiten uns meist nur auf kurze Strecken.
Wir waren kaum eine Viertelstunde abgefahren, als sich Falk Ephrjuell mit dem ernsten Gesicht, als wolle er ein wichtiges Handelsgeschäft abschließen, auf der Plattform zu mir gesellt.
»Herr Bombarnae, beginnt er, ich hätte eine Bitte an Sie.«
Aha, denk’ ich, der weiß Dich ja recht gut zu finden, wenn er Dich braucht.
»Höchst erfreut, Ihnen zu Diensten sein zu können, Herr Ephrjuell, geb’ ich zur Antwort. Um was handelt es sich?
– Ich komme Sie zu bitten, mir als Zeuge zu dienen.
– Ein Ehrenhandel? – Und mit wem, bitte? …
– Mit Miß Horatia Bluett.
– Sie wollen sich mit Miß Horatia Bluett schlagen? platze ich lachend heraus.
– Noch nicht … Ich heirate sie.
– Sie heiraten sie?
– Ja! Eine kostbare Frau, höchst bewandert in allen Handelsangelegenheiten, eine Buchhalterin ohne Gleichen ….
– Meinen Gückwunsch, Herr Ephrjuell; Sie können auf mich zählen …
– Und doch wohl auch auf Herrn Caterna? …
– Er wird mit Vergnügen bereit sein, und wenn’s einen Hochzeitsschmaus giebt, dann singt er auch zum Nachtisch …
– So viel er will, unterbricht mich der Amerikaner. Doch sprechen wir jetzt von den Zeugen der Miß Horatia Bluett.
– Ganz recht.
– Glauben Sie, daß sich der Major Noltitz bereit finden lassen wird? …
– Ein Russe ist viel zu höflich, so etwas abzuschlagen. Ich werde ihn darum ersuchen, wenn Ihnen das recht ist …
– Ich danke Ihnen im Voraus. Wegen des zweiten Zeugen bin ich etwas mehr in Verlegenheit …. Jener Engländer, Sir Francis Trevellyan …
– Er würde nur den Kopf schütteln, weiter brächten Sie aus dem nichts heraus.
– Der Baron Weißschnitzerdörser? …
– Sie wollen darum einen Mann angehen, der eben auf der Fahrt um die Erde begriffen ist und der gar nicht fertig würde, seinen langen Namen zu unterzeichnen! …
– Da seh’ ich nur noch den jungen Pan-Chao … und im schlimmsten Fall unseren Zugführer Popos …
– Sie würden sich Beide ein Vergnügen daraus machen … doch die Sache eilt ja nicht so sehr; sind wir erst in Peking, so wird sich der vierte Zeuge schon austreiben lassen ….
– Wie … in Peking? … Ach, in Peking denk’ ich Miß Bluett nicht zu heiraten!
– Nun, etwa in Su-Tcheu oder in Lan-Tcheu … so während eines mehrstündigen Aufenthalts? …
–
Wait a bit
, Herr Bombarnae! Hat ein Yankee wohl Zeit zu warten?
– Ja, wo soll es denn geschehen?
– Hier auf der Stelle!
– Im Zuge?
– Natürlich im Zuge.
– Dann muß ich Ihnen einmal zurufen:
Wait a bit!
– Keine vierundzwanzig Stunden.
– Nun, zu einer Trauung braucht man doch einen Geistlichen …
– Und zwar einen amerikanischen, und als solchen haben wir ja den Reverend Nathaniel Morse.
– Er ist dazu bereit? …
– Natürlich! … O, der traute gleich den ganzen Zug, wenn das von ihm verlangt würde.
– Bravo, Herr Ephrjuell! … Eine Heirat in der Eisenbahn, das verspricht eine seltne Abwechslung …
– Herr Bombarnae, man soll nie auf
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