Claudius Bombarnac
Opfer … ein Kind vor den Augen seiner Mutter zerfleischt « – das Ganze mit den nöthigen Gedankenstrichen colorirt!
Doch nein, die wilden Katzen Turkestans haben mir diese Genugthuung nicht gewährt! Ich behandle sie also – und ich glaube ein Recht darauf zu haben – als unschuldige Hauskater!
Die bisher wichtigsten Stationen waren Yanghi-Hissar, mit zehn Minuten Aufenthalt, und Kizil, wo der Zug eine Viertelstunde verweilte. Hier arbeiten einige Hochöfen, da das Land eisenführend ist, was schon das Wort »Kizil«, das ist »roth«, andeutet.
Das recht fruchtbare Land erscheint mit Getreide, Mais, Reis, Gerste und Leinsaat recht sorgsam angebaut. Ueberall kräftige Haine von Weiden, Maulbeerbäumen und Pappeln. Auf Sehweite hinaus kunstgerecht besäete Felder, die von Canälen bewässert werden, saftige grüne Wiesen mit Heerden von Schafen – kurz, das Ganze halb Normandie und halb Provence, wenn am Horizonte nicht die Bergriesen von Pamir aufragten. Dieser Theil Kaschgariens hat nun ganz entsetzlich durch den Krieg gelitten, zur Zeit, als das Volk um seine Unabhängigkeit kämpfte. Hier ist Blut in Strömen geflossen, und längs der Bahnstrecke zeigen kleine Hügel die Stelle, wo so viele Opfer ihrer Vaterlandsliebe begraben worden sind.
Doch ich bin nicht nach Centralasien gekommen, um auf französischem Boden zu reisen! Etwas Neues, zum Teufel! Etwas Neues, Ueberraschendes, Packendes will ich wissen!
Ohne den Schatten eines Unfalls und bei einem herrlichen Tage fuhr unsre Locomotive um vier Uhr Nachmittags in den Bahnhof von Yarkand ein.
Wenn Yarkand nicht der Regierungssitz des östlichen Turkestan ist, so bildet es doch den wichtigsten Handelsplatz der Provinz.
»Noch einmal zwei verbundene Städte, sag’ ich zum Major Noltitz. Ich erfuhr es von Popos ….
– Und diesmal, antwortet der Major, sind es keine Russen gewesen die die neue Sadt erbaut haben.
– Alt oder neu, ruf’ ich, ich fürchte, beide gleichen sich wie ein Ei dem andern, denn was wir bereits gesehen haben – eine Mauer aus Lehm mit so und so viel Thoröffnungen, weder Denkmäler der Vorzeit, noch bemerkenswerthe Gebäude – und höchstens die ewigen Bazare des Orients!«
Ich täuschte mich nicht, denn vier Stunden waren viel zu viel für einen Besuch der beiden Yarkands, von denen das neue Yanji-Shar genannt wird. Zum Glück ist es den Einwohnern nicht untersagt, auf den Straßen zu erscheinen, die nur von elenden Lehmhütten eingefaßt sind, so wie ein solches Verbot zur Zeit der »Dadkwahs«, der ehemaligen Gouverneure der Provinz, wirklich bestand.
Sie dürfen sich jetzt das Vergnügen gönnen, zu sehen und gesehen zu werden, und dieses Vergnügen wird auch getheilt von den »Faranguis« – wie die Fremden aus allen Nationen hier genannt werden. Diese Asiaten sind recht hübsche Erscheinungen. Sie tragen alle lange Zöpfe; eine Art Weste überziehen glänzende Streifen, die Unterkleider zeigen helle Farben und bestehen aus Seide von Khotan; die hochschaftigen Stiefeln sind bestickt, und unter einer Art kokett getragenen Turbans quellen schwarze Haare hervor, während die Augenbrauen in der Mitte zusammenstoßen.
Eine Anzahl chinesischer Reisender, die in Yarkand ausgestiegen sind, werden von Fahrgästen gleichen Stammes ersetzt – darunter etwa zwanzig Kulis – und wir fahren um acht Uhr Abends weiter.
Die Nacht geht darüber hin, die dreihundert Kilometer von Yarkand nach Khotan zurückzulegen. Ein kurzer Besuch des ersten Packwagens hat mich überzeugt, daß der Kasten noch an derselben Stelle steht. Ein leichtes Schnarchen verräth, daß Kinko, wie gewöhnlich darin eingeschlossen, ganz ruhig schläft. Ich hab’ ihn nicht wecken wollen, und lasse den Burschen von seiner angebeteten Rumänin träumen.
Am nächsten Tage belehrt mich Popof, daß der Zug mit der Geschwindigkeit eines Omnibuszuges durch Kargalik, den Knotenpunkt der Straßen von Kilian und Tong gekommen ist. Die Nacht war frisch, denn wir befinden uns noch in einer Höhe von zwölfhundert Metern. Von der Station Guna aus verläuft die Bahn genau von Westen nach Osten ziemlich dicht am siebenunddreißigsten Breitengrade, der in Europa Sevilla, Syracus und Athen durchschneidet.
Ich habe nur einen einzigen bedeutenden Wasserlauf gesehen, den Karakasch, auf dem sich einige hinabgleitende Flöße zeigen, und lange Reihen von Pferden und Mauleseln, die an seichten Stellen durch das Wasser waten. Dieses kreuzt die Eisenbahn gegen hundert Kilometer
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