Claustria (German Edition)
Der Beton war getrocknet, der Ring fest verankert. Er zog an der Kette und staunte wieder einmal, wie exakt er sie ausgemessen hatte, sodass Angelika gerade die Toilette erreichen konnte. Er hatte die Polster von den Bänken genommen, die beiden Hocker, den Klapptisch, den Wasserkessel und alles andere entfernt, was ihr als Wurfgeschoss dienen könnte.
,,Eine Spielzeugtruhe.“
Vielleicht hat er laut gesprochen, genuschelt. Irgendwo in seinem Inneren, verschwommen in seinem Bewusstsein, war dieses Wort gewesen, bereit, ausgesprochen zu werden. Die Freude eines Buben, eines Tyrannen, eines Allmächtigen, dem es gelungen war, sein ganzes Reich in eine Flasche zu stecken und deren Hals mit einer Schleuse zu versperren. Eine vergrabene Flasche mit nie versiegendem Inhalt, seine Tochter eine gefangene Frucht, ein Weinstock, der eine Traube Kinder tragen würde.
Er legte sich auf eine Bank. Die Stille des Erdinneren, das gelbe Licht der Birne, die er anstelle des Neonlichts angebracht hatte, deren heller Schein in seinen blauen Augen geschmerzt hatte. Außer ihm gab es hier niemanden. Er war wie Gott, bevor Er beschloss, Adam zu erschaffen, ihm eine Rippe auszureißen und daraus seine Frau zu formen. Ein Weib hatte schon ausgereicht, um die Erde zu bevölkern, aber dieses Mal würde Gott selbst Sein Geschöpf begatten. Ein verrückter Traum, dessen Primizien vielleicht noch keiner je geträumt hatte.
Laute Kinderstimmen rissen ihn aus seinen Überlegungen, die Kinder sprangen nacheinander in den Pool. Annelieses Stimme, die schrie, sie sollten zurückkommen, dann das Geräusch von Schlägen auf nasser Haut, die die Mutter ihnen versetzte, sobald sie aus dem Wasser kamen.
Der Herrscher beschloss, dass der Schall herabsausen sollte wie ein Fäustel, aber unfähig wäre, aufzusteigen. Angelikas Schreie würden den Boden durchdringen und sich in der Erde verlieren wie ein Blitz, der von einem Blitzableiter abgefangen wird. Sollte sie hysterisch werden, würde ein Knebel verhindern, dass die Schreie aus ihrem Körper entwichen, und aus Angst, sie könne platzen, würde sie fortan vom Brüllen Abstand nehmen.
Die Kinder waren im Bett, Anneliese räumte auf. Sie füllte eine große, leuchtend orangefarbene Mülltonne mit vollen Händen. An die Stelle der kaputten Scheiben hatte sie bereits Packpapier geklebt. Die Fenster waren weit offen, aber trotz des vielen Wassers, mit dem sie den Teppich geschrubbt hatte, war der Gestank noch immer beißend. Die Löcher im Ehebett hatte sie mit Geschirrtüchern gestopft und gedacht, diese Aufmerksamkeit würde die Wut ihres Mannes vielleicht dämpfen. Eine Wut, die noch furchterregender war, weil sie Zeit gehabt hatte, in ihm zu gären.
Fritzl war geräuschlos die Treppe heraufgekommen. Er hatte die Tür so vorsichtig geöffnet, dass Anneliese ihn nicht hatte kommen hören. Er stand vor ihr, als sie aus dem Wohnzimmer trat und den Wasserkübel füllen und abermals versuchen wollte, den Gestank dieses verfluchten Läufers zu ertränken.
Sie schauderte.
,,Wir müssen reden.“
Ein leichtes Zittern, sie zweifelte nicht daran, dass er vorhatte, sie einem Verhör zu unterziehen und sie am Ende zu bestrafen. Um sie zu demütigen, entzog er ihr manchmal wochenlang das Haushaltsgeld. Dann musste sie sich etwas von ihrer Schwester borgen, die in dürftigen Verhältnissen lebte, und musste sich erniedrigende Kommentare von den Händlern anhören, die ihr das Geld widerwillig stundeten. Anneliese fürchtete diese Strafe noch mehr als die Schläge, die den Vorteil hatten, als kräftiger Schauer auf sie niederzugehen, und das war ihr lieber als der Nieselregen des Geldmangels.
,,Ich kann nichts dafür. Ich habe die Tür richtig abgeschlossen, bevor wir gegangen sind.“
Er schleifte sie zum Sofa. Abgesehen vom Brandloch einer Zigarette war es verschont geblieben von der Zerstörungswut, die Fritzl am Abend nach seiner Rückkehr gepackt hatte.
,,Ich verstehe das nicht, sicherlich Einbrecher.“
Fritzl sah zu, wie seine Frau sich mit diesem Rätsel herumschlug.
,,Oder vielleicht ein Mieter. Man weiß nie, wen man ins Haus bekommt. Vielleicht haben wir, ohne es zu wissen, an ein Schlitzohr oder an einen Verrückten vermietet.“
Sie verstummte in der Angst, zu wissen, dass sie das Ganze ausbaden müsste, wenn sie keinen Schuldigen fand. Da kam ihr auf einmal eine Idee.
,,Und Angelika? Wo ist Angelika? Das war sicherlich sie!“
,,Es war Angelika.“
,,Mein Gott! Und dabei wird sie
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