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Claustria (German Edition)

Claustria (German Edition)

Titel: Claustria (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Régis Jauffret
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zu fühlen, gab Kraft. Ein kleines Grüppchen, ein Trupp; das Gefühl, diejenigen in der Gebärmutter könnten herauskommen und die Verteidigung sichern, zum Gegenangriff übergehen, vielleicht mit einer Pistole bewaffnet auftauchen. Wenn sie die Augen schloss, hatte sie manchmal den Eindruck, aufzusteigen, die Decke, die Stockwerke, das Dach zu durchstoßen wie eine Rauchfahne.
    Den Haushalt hatte sie aufgegeben. Schwamm, Putzlappen, Geschirrtuch – damit fing sie nun nichts mehr an. Die Lust am Putzen und an der Mikrobenjagd – so leidenschaftlich wie andere Enten oder Drosseln jagten – hatte sich verflüchtigt.
    Sie war eine Königin, die in guter Hoffnung die Infanten oder Infantinnen erwartete, dieses geheimnisvolle Paar, dessen Geschlecht sie nicht kannte. Zum Schutz des Königreichs musste der ganze Hof sie bedienen: Petra, die sechsjährige Hofdame, Kammerzofe, Wirtschafterin, sorgte für den Haushalt. Martin, ihr Gehilfe, ein einfacher Domestik, musste die niederen Arbeiten verrichten. Er schrubbte den Boden, putzte das Klo, füllte die Waschmaschine und hängte die Wäsche auf. Seine Schwester musste Fritzls Lieblingsgerichte zubereiten, musste abstauben, das Waschmaschinenprogramm einstellen und den entsprechenden Knopf drücken.
    Angelika gab Befehle, überwachte die Arbeiten, verteilte Verweise, Ohrfeigen und Bonuspunkte.
    Am späten Abend des 27. April platzte die Fruchtblase. Angelika war in der Badewanne eingeschlafen. Die ersten Wehen hatten sie aus dem Schlaf gerissen. Das Wasser in der Wanne war kalt geworden, sie klapperte mit den Zähnen. Nach ein paar Tagen, in denen es nach Frühling ausgesehen hatte, fiel seit dem vergangenen Tag wieder hartnäckig Schnee in Amstetten. Demzufolge war auch die Temperatur im Keller gefallen.
    Sie wollte heißes Wasser zugeben. Im Fernsehen hatte sie eine Wassergeburt gesehen. Angeblich war der Schmerz nicht so groß, und das Kind tauchte an der Wasseroberfläche auf wie ein kleiner Schwimmer nach einem Apnoe-Tauchgang.
    Aber der Boiler war leer, das Wasser kalt. Angelika stützte sich am Wannenrand auf. Ein heftiger Schmerz fuhr ihr in den Unterleib, sie fiel zurück. Mehrere Versuche, ununterdrückbare Schreie. Sie rief Petra und Martin. Eine illusorische Hilfe, aber eine Art Gesellschaft. Die Kinder versuchten, sie mit aller Kraft hochzuheben. Erneut schrie sie auf und fiel zitternd zurück.

Oben hatte sich die Familie gerade zu Tisch begeben. Es gab Schweinsbraten und Kartoffeln. Fritzl war aus Linz gekommen, wo er den Tag bei einem Kunden verbracht hatte. Er war schlecht gelaunt, eine Gewohnheit wie Drohungen und Schläge, die er den Kindern mit demselben Eifer gab wie ein normaler Vater Küsse.
    ,,Warum immer Schweinefleisch?“
    Anneliese senkte den Kopf.
    ,,Als würden wir in einem Land leben, wo es keine Rinder gibt.“
    Diesen Spruch ließ er oft ab, und Anneliese argumentierte dann, dass Rindfleisch teuer sei.
    ,,Außerdem ist Schweinefleisch gesund.“
    Angelikas Schreie folgten aufeinander. Die Kinder horchten erst, aber ein Blick des Vaters genügte, um ihnen die Ohren zu verstopfen.
    Nach dem üblichen Wortwechsel in Bezug auf das Essen schwieg Fritzl. Die Kinder fuhren unweigerlich zusammen, wenn Angelika einen Schrei ausstieß. Fritzl stocherte weiter in seinem Teller herum, kaute, schluckte, als sei er taub.
    Anneliese hustete sich die Seele aus dem Leib. Doch ihre Anfälle konnten die Schreie nicht übertönen. Sie fing an, laut zu sprechen, schnauzte die Kinder an, verteilte ein paar Watschen, damit sich das Geheul über den Lärm aus dem Keller legte.
    ,,Du, wenn du weiterplärrst, kriegst du gleich noch so eine, dass du von der Wand abprallst!“
    Eine Spezialität der Mutter. Ein Schlag, der das Kind von den Beinen riss und an die Wand schleuderte, und die Wand schien zurückzuschlagen.
    ,,Ich habe es satt, mir immer euren Unsinn anzuhören!“
    Die Schreie wurden regelmäßiger. Anneliese stand auf. Während sie versuchte, lauter zu schreien als Angelika, schlug sie ihre Nachkommenschaft nacheinander im Viereck herum. Fritzl tunkte in aller Ruhe den Topf mit Brotstücken aus.
    ,,Äpfel.“
    Das immer gleiche Dessert. Im Sommer gab es stattdessen mitunter Erdbeeren, Kirschen, Pfirsiche und Weintrauben.
    ,,Äpfel.“
    Er musste die Stimme heben, um Annelieses Geschrei, das Geheul der Kinder und Angelikas Gebrüll zu übertönen, das sich in den ganzen Lärm hineinstahl.
    Anneliese versetzte Christof einen letzten Schlag, dann holte sie

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