Claustria (German Edition)
mit der Spitze seines Taschenmessers in den Zähnen, als Roman herausgedrückt wurde. Seine ersten Schreie waren nicht zu hören im Lärm der Fans der Wiener Elf, die gerade ein Tor gegen Stuttgart erzielt hatte.
Fritzl stand vom Sessel auf, um die Zeitlupe besser zu sehen.
Das Ende des Spiels verfolgte er am Fußende des Bettes sitzend, das Jammern des Kleinen hörte er nicht.
,,Sie haben Angelika nicht angesehen, als Sie ins Schlafzimmer gekommen sind?“
,,Ich habe Roman gesehen, bevor ich mich hingesetzt habe. Er war ganz verschmiert, ich wollte warten, bis er gewaschen ist, bevor ich mit ihm Bekanntschaft mache.“
,,Haben Sie sich gefreut, dass es ein Bub war?“
,,Ich wusste, dass es ein Bub wird, Angelika hatte einen spitzen Bauch.“
Nieselregen hatte eingesetzt, Fritzl bat den Inspektor, das Fenster zum Hof des Kommissariats zu schließen.
,,Ich mag keinen Regen.“
Der Inspektor kam diesem Wunsch nicht nach. Fritzl stank nach Zelle. Seit zwei Tagen schlief er in einer drei Kubikmeter großen Betonkiste. Er fügte seine Ausdünstungen denen seiner Vorgänger hinzu und war von einem Gestank durchdrungen, der vage an den Keller erinnerte.
„Petra brachte warmes Wasser. Sie machte das Kind sauber. Seine Mutter hätte sich nicht auf den Beinen halten können.“
Fritzl blickte kurz in die Ferne.
,,Es ist nicht leicht, ein Kind zur Welt zu bringen. Die Frauen haben Mumm. Ich glaube wirklich, ein Mann wäre außerstande, ähnliche Qualen auszuhalten.“
,,Haben Sie die Nacht im Keller verbracht?“
,,Ich bin gegen Mitternacht nach oben gegangen. Bei dieser Gelegenheit habe ich die Plazenta und die Nabelschnur in den Gully vor der Haustür geworfen. Ich hatte Hunger. Ich habe Anneliese geweckt, damit sie mir eine Wurst brät.“
,,Angelika sagt, dass Sie ihr am nächsten Tag gedroht hätten, Roman heraufzuholen, wenn er weiterhin nachts so schreien würde.“
Er lächelte.
,,Wissen Sie, in einem Haushalt neckt man sich eben. Anneliese war zu alt, um sich noch um ein weiteres Kind zu kümmern.“
Ein stolzes Vaterlächeln auf seinem Gesicht.
,,Dieses Jahr wollte ich ihn nach den Sommerferien in der Schule anmelden. Er wird sicherlich ein guter Schüler.“
Das Telefon läutete, der Inspektor hob ab. Müde von einem viereinhalbstündigen Verhör, schlief Fritzl auf seinem Sessel ein.
Nachdem der Inspektor aufgelegt hatte, nutzte er Fritzls Schlaf und holte sich am Getränkeautomaten hinten im Gang ein Bier. Ein Kollege, der eifersüchtig war, weil er selbst einen Autodiebstahl bearbeiten musste, während der andere mit dem Kriminellen des Jahrhunderts plauderte, fragte ihn, ob man Fritzl den Tod des Zwillings anhängen könne.
,,Dafür wird sich schon eine Möglichkeit finden.“
Als er in sein Büro zurückkam, war Fritzl verschwunden. Panik im ganzen Haus. Man suchte ihn bis auf die Straße hinunter.
Als Fritzl aus der Toilette kam, setzte er sich wieder seelenruhig auf seinen Platz. Ein diensthabender Polizist fand ihn, als er das Zimmer betrat, um das Fenster zu schließen, nachdem der Wind aufgefrischt hatte und durch den Gang wehte.
,,Wo waren Sie denn?“
,,Pinkeln.“
Die Nacht war ruhig, nur gegen Morgen gab es ein bisschen Gejammer. Scheinbar war das Kind von der Geburt genauso erledigt wie die Mutter. Am späten Vormittag wurde das Heulen lauter.
Seit sieben Jahren war Anneliese nicht mehr an Babygeschrei aus dem Keller gewöhnt. Der Lärm überraschte sie, sie hatte gedacht, Angelikas Gebärmutter sei für immer außer Funktion. Erst hielt sie es für eine Reality-Show im Fernsehen, bei der eine Frau, die von einem Kandidaten geschwängert worden war, live entband. Nachdem sie durch alle Sender gezappt hatte, musste sie einräumen, dass dem nicht so war.
Sie war böse auf diese Angelika, die nach all den Jahren immer noch keinen Grips im Kopf hatte und weiterhin ihren Schmerz hinausschrie wie ein Hasenfuß. Sie ärgerte sich, weil sie keinen Schlüssel zum Keller hatte, um ihr den Marsch zu blasen und sie zu verhauen wie ein kleines, wehleidiges Mädchen, das beim kleinsten Wehwehchen jammert.
Gegen elf Uhr ging Anneliese in die Dachkammer hinauf, um Patiencen zu legen und die Schreie des Kindes nicht mehr so laut zu hören. Wütend drehte sie die Karten um. Würde Fritzl ihr das Kind bringen, würde sie schon wissen, wie sie ihm das Maul stopfte! Sie hatte immer vorgegeben, ausreichend Autorität auszustrahlen, sodass Babys und Tiere auf ihrem Arm verstummten. In ihrer
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