Claustria (German Edition)
Richard zu nennen?“
Sie wusste nicht, dass so der SS-General hieß, der während des Nationalsozialismus die Macht über Österreich gehabt hatte.
,,Warum nicht gleich Adolf?“
Ein Kind, das in einem Keller geboren worden und wie sein Namensvetter in einem Bunker gestorben war.
,,Du hast recht, Roman ist ein hübscher Name.“
Sie war völlig fertig. Mit dem Neugeborenen, das neben ihr im Bett lag, schlief sie ein. Das Kind war fünfunddreißig Minuten alt.
Fritzl war zufällig dabei gewesen. Den ganzen Tag über hatte er über drei alte, baufällige Häuser ganz in der Nähe des Bordells von Amstetten verhandelt. Die Erben, die vom Tod ihrer Mutter noch ganz verstört waren, hatte er um sieben Uhr früh im Hotel geweckt, wo sie sich am Tag nach dem Todesfall einquartiert hatten.
Eine vage Verkaufszusage, schweren Herzens auf einem losen Blatt unterzeichnet. Fritzl hatte sich in den Kopf gesetzt, an dieser Stelle ein Schwimmbad für die Rehabilitation Behinderter zu errichten. Damit könnte er Subventionen kassieren und von Steuerabschreibungen profitieren. Als er verhaftet wurde, standen die drei Bruchbuden noch immer.
Er hatte Anneliese angekündigt, dass er in der Nacht die Pläne für das Becken zeichnen wollte. Gegen achtzehn Uhr kam er mit Schweinerippchen unten im Keller an. Angelika lag im Bett.
,,Steh auf, ich hab’ Hunger!“
Ihr Gesicht war schmerzverzerrt, sie schwitzte trotz der niedrigen Temperatur im Schlafzimmer.
,,Steh auf!“
Sie reagierte nicht. Am frühen Nachmittag hatten die Wehen eingesetzt. Auf dem Nachtkästchen lagen eine Schere, eine Packung Watte und eine Flasche mit Alkohol – das war ihre Geburtsausrüstung.
Er ging wieder in die Küche.
Petra spielte allein Mau-Mau mit einem Kartendeck, das von den Patiencen ihrer Großmutter ganz speckig war. Fritzl hatte es aus dem Schrank geholt, wo Anneliese alles aufbewahrte, was nicht mehr in Gebrauch war. Petra gewann immer und stieß am Ende jeder Partie einen kleinen Freudenschrei aus.
,,Wann hörst du endlich mit diesem Unsinn auf?“
Ein fast zärtlicher Spruch des Vaters. Der dankbare Blick des Ponys, dem man gerade den Hals getätschelt hat.
,,Und du, kleine Hausfrau?“
Lächelnd hantierte Martin weiter mit der Nadel, um Bermudashorts aus Baumwolle mit einem Muster aus Radrennfahrern zu stopfen, die einen Berg hinauffuhren, unter einem blauen Himmel, dessen Farbe vom Waschen verblasst war.
,,Wer kocht?“
Die Kinder standen auf. Zwei geschäftige Küchengehilfen. Geruch von verbranntem Fett, Dampf aus dem Topf, in dem die Kartoffeln eine schlimme Zeit durchmachten. Der Tisch wurde gedeckt – vier Teller, Plastikmesser, mit Klebeband geflickt, Gabeln mit abgebrochenen Zinken. In den Gläsern Wasser.
,,Es gibt kein Bier mehr, Papa.“
,,Dann hättest du im Geschäft eins kaufen müssen.“
Ein gewohnter Scherz, eine gut gemeinte Ohrfeige, deren Spuren noch mehrere Minuten zu sehen waren.
Das Schweinefleisch wurde auf einem Bett aus zu Brei verkochten Kartoffeln serviert, der Mischmasch von drei Mündern verschlungen. Beide Kinder kauten nur auf einer Seite, die Karies hatte schon angefangen, ihre Zähne faulen zu lassen.
,,Wann hört sie endlich auf zu stöhnen?“
Die Wehen wurden stärker. Angelika hatte Mühe, sich still zu verhalten.
,,Ich hoffe nur, dass es wenigstens schnell herauskommt!“
Sie versuchte, ihre Schreie zu dämpfen, indem sie auf die Bettdecke biss.
,,Tiere schreien, wenn man sie deckt, aber sie sind still, wenn sie werfen.“
,,Was ist werfen?“
Martin. Petra hätte sich nicht zu fragen getraut. Bisweilen legte der Vater eine eigentümliche Prüderie an den Tag, als wäre für ihn das Wissen um gewisse Aspekte der Biologie der Wirbeltiere der Welt der Erwachsenen vorbehalten.
Manchmal aber ließ er sich zu einer Antwort verleiten.
,,Das ist Kinder herausscheißen.“
Als Nachspeise gab es Rosinenkuchen, den Angelika am Vortag gebacken hatte.
,,Stell den Fernseher lauter.“
Als Petra ins Schlafzimmer kam, war ihre brüllende Mutter kurz davor, Roman herauszupressen, sein Köpfchen zeichnete sich schon am Rand der Vagina ab. Petra drehte den Ton lauter. Der Vater hörte Angelika noch immer leiden.
,,Noch lauter!“
Petra drehte weiter auf. Das Fußballspiel übertönte die Schreie. Die Kommentare und das Gebrüll der Menge hörte man bis in den ersten Stock. Petra ging zum Bett, setzte sich neben ihre Mutter, hielt ihre Hand, Tränen rannen über vier Wangen.
Fritzl stocherte
Weitere Kostenlose Bücher