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Claustria (German Edition)

Claustria (German Edition)

Titel: Claustria (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Régis Jauffret
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Strumpfhosen. Bevor er die Bestellung abschickte, strich er die anderen Kleidungsstücke durch.
    Immer noch die Hoffnung auf einen Umzug auf die andere Seite des Labyrinths.
    ,,Neben dem Heizungskeller frierst du im Winter nicht mehr.“
    ,,Mein Büro wird unser Wohnzimmer.“
    ,,Ich lasse die Tür offen, dann kannst du weiterhin hier kochen.“
    ,,Ich mache die Oberlichter auf, so kriegen die Kinder besser Luft.“
    ,,Außerdem werden sie größer, ich richte ihnen zwei eigene Zimmer mit Bad und Kitchenette ein.“
    Verschwommen spürte er, dass es kein Land ohne Träume gibt. Angelika zeichnete Pläne der neuen Räumlichkeiten.
    ,,Es gibt genügend Luft, du kannst die Wände in deiner Wunschfarbe streichen.“
    ,,Ich wünsche mir eine ganz fröhliche Wohnung. Vielleicht Gelb fürs Wohnzimmer. Ein Hauch Grün und Blau für die Schlafzimmer. Was die Möbel angeht, habe ich an ein weißes Ledersofa gedacht und viele Beistelltischchen aus lackiertem Holz.“
    Er musste unweigerlich lachen, als er das hörte. Angelika dachte, dass ihre Einrichtungsvorstellungen seine Laune hoben.
    ,,Schön wäre es auch, wenn wir gerahmte Fotos von Städtewahrzeichen an die Wand hängen würden.“
    ,,Träume nicht zu viel, das schadet dir.“
    Sie dachte erst, er scherze. Dann wurde ihr klar, dass er den Traum soeben platzen ließ. Er müsste einen neuen für sie erfinden, wenn sie zu deprimiert wäre, um gut im Bett zu sein.
    Er sagte ihr, dass er ein Haus mitten im Wald gekauft hätte.
    ,,Eines Nachts bringe ich euch dorthin.“
    Er verkündete, dass er mit ihnen nach Wien ziehen wollte.
    ,,In einer Metropole verschwindet man in der Menge.“
    Und andauernd hielt er ihr die Möglichkeit eines sukzessiven Umzugs nach oben vor die Nase.
    ,,Zunächst wohnt ihr in den Apartments. Ich nagle die Fensterläden zu, damit die Kinder sich erst an das Tageslicht gewöhnen können.“
    Träume, derer Fritzl sich mehrmals bediente. Oft erinnerte Angelika sich nicht mehr daran, und sie kamen ihr ganz neu vor.

Seit der Zwillingsgeburt 1995 hatte Angelika kein Kind mehr bekommen. Fritzl war enttäuscht.
    ,,Du wirst in deinem Leben nur sechs Kinder geboren haben, von denen lediglich noch fünf leben. Deine Mutter hatte sieben, und keines ist gestorben.“
    ,,Ich habe noch immer meine Periode. Wir bekommen sicher bald noch ein Kind.“
    ,,Mit sechsunddreißig bist du schon eine alte Frau!“
    ,,Die Zwillinge haben mich ausgelaugt.“
    Er schmierte ihr eine. Sie schämte sich.
    Im Dezember 2000 legte er sich einen BlackBerry zu. Wenn Fritzl schlafen ging, schob er ihn unter den Polster.
    Das Handy blinkte oft auf, er drückte alle Anrufe weg. Manchmal hörte er seine Mailbox in der Speisekammer ab. Dreimal hatte Angelika ein geflüstertes Gespräch mitgehört. Eines mit einer Immobilienagentur, dann ein leiser Anpfiff an Annelieses Adresse, die ihm mitteilte, dass ihre Schwester unerwartet gekommen war, und ein paar Worte mit dem Angestellten der Mercedes -Niederlassung in Amstetten, die sich mit der Inspektion seines Kombis zu viel Zeit ließ. Das Funksignal drang problemlos durch die Deckenlatten.
    Am 5. Januar 2001 mischte Angelika Hustensaft in die Fleischsoße. Sie schützte Migräne vor und begnügte sich mit einem Joghurt. Die Kinder schickte sie ins Bett, bevor sie mit dem Kopf auf dem Teller einschliefen.
    ,,Warum? Es ist doch noch früh.“
    ,,Zur Strafe.“
    Sie gehorchten ohne große Widerrede, um keine Ohrfeigen zu bekommen. Fritzl knabberte ohne Appetit an dem Obstkuchen herum, den es als Nachspeise gab. Angelika hatte ihr Bestes getan, um Fritzl zu erregen. Als er halb steif war, zog sie ihn ins Schlafzimmer. Schlafend fiel er aufs Bett, ohne noch die Geistesgegenwart besessen zu haben, sein Telefon wegzuräumen.
    Sie wartete, bis er schnarchte, dann fasste sie in seine Hosentasche. Wie so ein Telefon funktionierte, wusste sie aus der Fernsehwerbung. Unter mehreren Decken, die ihre Stimme dämpfen sollten, rief sie aus der Speisekammer die Polizei an.
    Nach zwei Minuten in der Warteschleife mit Musik ging eine Frau an den Apparat.
    ,,Ich heiße Angelika Fritzl. Ich bin mit meinen zwei Kindern in einem Keller in der Ybbsstraße gefangen.“
    ,,Wiederholen Sie bitte Namen und Adresse.“
    Sie buchstabierte.
    ,,In etwa zehn Minuten kommt ein Streifenwagen.“
    Als Angelika das Martinshorn hört, zittert sie noch mehr. Es klingelt mehrmals an der Haustür. Sie hört Annelieses schwere Schritte, die hinuntergeht, um aufzumachen. Die raue

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