Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Claustria (German Edition)

Claustria (German Edition)

Titel: Claustria (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Régis Jauffret
Vom Netzwerk:
wiederzukommen.“
    „Manche kommen wieder. Und dann verschwinden sie von der Bildfläche. Wenn ich sie dann anrufe, muss ich feststellen, dass sie nun eine andere Telefonnummer haben. Wo fangen wir an?“
    Er schloss aufs Geratewohl eine Tür auf der Gartenseite auf. Ein großes Zimmer mit drei Fenstern, vier Türen, einer vergipsten, eingestürzten Decke, deren Balken man sah. Von den Haufen aus Kabelstücken, vorsintflutlichen Radioröhren, zerfetzten Gebrauchsanweisungen, Decken, die aus mehr Löchern als Wolle bestanden, und kaputten Lattenkisten, die auf dem Boden lagen wie Wrackteile auf dem Meeresgrund, stieg ein Gestank nach toten Mäusen auf. Ich bückte mich – sie schienen nie etwas anderes enthalten zu haben als Staub.
    „Das Monster hat wohl Luft verpackt.“
    An der Wand Kleiderhaken mit Umhängetaschen, Jutebeuteln und Rucksäcken. Unter dem Staub und dem grauen Gips waren sie kaum zu erkennen.
    „Machen Sie sich nicht die Hände schmutzig, da ist nichts drin.“
    Aufeinandergestapelte Flaschenregale in einer Ecke. Leere Limonaden-, Bier-, Milchflaschen aus der Zeit, als es noch Pfand dafür gab. Daneben ein Haufen Joghurtgläser. Überall nicht mehr genutzte Spinnweben mit vertrockneten Fliegenteilen.
    „Die Spinnen sind tot. Hier, sehen Sie.“
    Unter einem Fenster in einem Streifen Dämmerlicht – der Abend brach zusammen mit ein paar Regentropfen herein –, das durch halb geschlossene Fensterläden fiel, lag eine tote Spinne auf dem Rücken.
    „Die sind hier überall, auch Schaben, und da ist ein Wespennest.“
    Er deutete mit seiner Zigarre auf einen Deckenbalken.
    „Wespen als Maurer. Sie haben ihr Nest mit Gipsschutt gebaut.“
    Wir verließen das Zimmer durch eine andere Tür.
    „Die Polizisten haben literweise Insektenspray im Haus versprüht. Sie hatten Angst, bei der Durchsuchung gestochen zu werden.“
    Verglichen mit dem anderen Zimmer wirkte der angrenzende Raum verlassen. In der Mitte stand wie eine kleine Insel ein verrostetes Klappbett, ein Archipel aus Hockern war darum herum ausgestreut, die einen waren umgekippt, andere hielten mit ihren vier Beinen die Zimmerdecke.
    Der Anwalt öffnete eine weitere Tür. Dahinter Stapel von Ziegelsteinen, Zementsäcke, angebrochene Farbkübel, die sorgfältig wieder verschlossen worden waren, Flaschen mit Terpentinersatz. An der Wand lehnten zwei Schaufeln und eine Hacke.
    „Er hatte wohl vor, noch einen Anbau zu graben. Vielleicht hätte Angelika bald Drillinge bekommen – abgesehen davon war ihre Tochter auch schon in einem Alter, um mit dem Kinderkriegen anzufangen. Es hätte Platz gebraucht, um diese ganze Sippschaft unterzubringen.“
    Er lachte.
    „Haben Sie immer noch nicht genug von der Besichtigung?“
    Sein Telefon klingelte – Möwenschreie. Er sagte drei Worte auf Deutsch und legte wieder auf.
    Auf der anderen Seite des Gangs weitere Deponien, die wir nach einem raschen Lichtstrahl, nur um mir zu zeigen, dass es nichts zu sehen gab, gleich wieder verließen.
    Dann kam ein Raum, der noch dunkler zu sein schien als die anderen. Der Anwalt schwenkte sein Handy von oben nach unten und von rechts nach links. Man sah eine Kloschüssel voller alter Zeitungen.
    „Voilà, hier hat er seine Mutter verrecken lassen.“
    Er ging hin und beleuchtete das Klo mit dem Display. Ich bückte mich, fegte den Staub weg. Die oberste Zeitung war ein Exemplar aus der Vorkriegszeit, keine Bilder, Überschriften auf Deutsch, ein kaum lesbares Datum auf dem verschossenen Papier.
    Er hockte sich neben mich.
    „15. Februar 1932. Da war er noch nicht mal geboren. Seine Mutter hat sie wohl aufbewahrt, um sich den Hintern damit abzuwischen.“
    Er leuchtete mir ins Gesicht.
    „War nur ein Witz.“
    Man sah noch das zugemauerte Fenster. Dahinter die heutige Fassade, eine dicke Verschalung, die das ehemalige Haus umgab und dem Gebäude das Aussehen eines Bunkers verlieh. Kein Tisch, kein Sessel, in einer Ecke der rechteckige Abdruck einer Matratze, die man vor Kurzem entfernt hatte.
    „Ich habe sie auf die Mülldeponie geworfen, sie hat noch schlimmer gestunken als die ganze Bude. Den Interessenten wurde schlecht.“
    Er lachte. Zigarrenrauch quoll zusammen mit seinem Lachen aus seinem Mund. Brüsk schob er mich aus dem Zimmer.
    In der Dunkelheit stiegen wir die Treppen wieder hinunter. Er ging voraus, ich folgte ihm vorsichtig, um nicht auszurutschen. Er leuchtete eine tote Ratte an, das Fell war licht wie ein alter Pelz.
    „Ha, die kenne ich ja

Weitere Kostenlose Bücher