Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Claustria (German Edition)

Claustria (German Edition)

Titel: Claustria (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Régis Jauffret
Vom Netzwerk:
Generalangriff der Medien, die kommandoweise eindringen könnten, brachte man die Kinder im Morgengrauen in eine Kaserne mitten auf dem Land nördlich von Amstetten. Sie bewohnten eine Schlafstube und machten sich einen Spaß daraus, von Bett zu Bett zu springen wie Affen.
    Die Behörden konnten somit Angelikas Wünschen nachkommen, die Wert darauf legte, dass man die Kinder jeden Nachmittag ins Spital brachte, damit sie ihre Geschwister von unten besuchen konnten.

Neben der Dusche, die so dreckig war wie die Toilette einer Pariser Kneipe, lag ein exakt quadratischer Raum, in dem ein alter Computer thronte, er maß einen Kubikmeter und war mit lackiertem Mahagoni verkleidet. Darauf stand ein voluminöser Monitor mit einem winzigen Bildschirm. Der Anwalt umrundete ihn mit seinem Handy. Ein Paneel war abgeschraubt, auf den Boden gestellt und das Gerät ausgeweidet worden.
    „Ein alter Kasten, den er seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr benutzt hat. Ich frage mich, warum die Polizei sich für dieses Ding interessiert hat. Damals wurde der Speicher schon gelöscht, wenn man den Strom abgedreht hat.“
    Verlassen stand da auch ein alter Bürosessel, der aussah, als sei er nach einer langen, holprigen Reise, auf der er drei Rollen verloren hatte, hier gestrandet. Neben dem Fenster eine Matratze ohne Bezug, die Federn erinnerten mich an offene Mäuler.
    Überall tiefe, leere, stinkende Einbauschränke, die man über eine hohe Stufe erreichte. Hier und da lagen ein Paar alte, teilweise angeknabberte Gummistiefel, ein Häufchen Getreidekörner mit Rattengift, eine Reisetasche in jämmerlichem Zustand, ein Teil des Gurtes fehlte, der Stoff war so verschissen, dass er wohl einem Rattenpaar als Heim gedient hatte.
    Wir gingen in ein kleines Zimmer, ausgekleidet mit Korkplatten, die von der Feuchtigkeit schwammig waren. Mitten im Nichts stand eine Bank.
    „Vielleicht hat er sich hierher zurückgezogen, um zu meditieren.“
    Oder aber er hat dort seine Frau und seine Kinder eingekerkert, nachdem er sie verprügelt hatte.
    Drei Türen am Ende des Gangs. Alle führten ins Elternschlafzimmer. Als hätten sie ihr Lager inmitten einer Komödienkulisse aufgebaut, in der Liebhaber und Mätressen kamen und gingen und so taten, als würden sie einander nicht sehen.
    Doch der Raum war nur mittelgroß, man musste zwei Stufen hinaufsteigen, die Raumhöhe war entsprechend gering.
    Ein Holzbett. Matratze und Polster waren zerschlissen. Auf dem Boden eine Schicht Wollmäuse, Daunen. Ein paar waren aufgeflogen, als der Anwalt die mittlere Tür aufgemacht und mich eingelassen hatte.
    „Die Polizei hat keine Goldmünzen gefunden.“
    Durch die Ritzen der geschlossenen Fensterläden drang ein wenig Licht herein.
    Eine Tapete mit Rankenmuster – blühende Zweige in der Farbe von Herbstlaub – und Tauben, die schwarz geworden waren wie Raben. Ein paar Bahnen klebten schon lange nicht mehr an der Wand, Jahre alter Staub hatte sich auf ihren Rückseiten gesammelt. Die Tapete war heller, fast adrett, wo sie ein halbes Jahrhundert lang von einem Möbelstück oder einem Bild geschützt gewesen war.
    „Sie haben den Wäsche- und den Kleiderschrank mitgenommen.“
    „Die Polizisten?“
    „ I don’t know. Vor zwei Wochen war der Krempel jedenfalls noch hier.“
    Ein paar vor Schmutz starrende, stinkende kleine Möbelstücke standen noch da. Der Anwalt beleuchtete eine Schicht Fliegen, die tot auf der Platte des Frisiertisches lagen.
    „Warum wollten sie alle ausgerechnet auf dieser Marmorplatte ihr Leben beenden?“
    Er leuchtete sein Gesicht an, wie um die Frage offenzulassen.
    „Hier, sehen Sie.“
    Er richtete das Licht des Displays auf eine aufgeknöpfte Hose auf dem Boden.
    „Seine Hose. Und wenn nun eine Schlange herausschnellt?“
    Er lachte. Ein kurzes, dröhnendes Lachen.
    „Wenn man sich vorstellt, dass das Geschlechtsorgan dieses Dreckskerls darin gesteckt hat. Komisch, dass noch keiner sie geklaut hat. An Kleiderhaken im Erdgeschoss hatten drei Mützen gehangen, sie sind nacheinander verschwunden. Bei jedem Besuch fehlt etwas anderes. Stellen Sie sich vor, ausgerechnet die Mützen, in die Fritzl seinen Kopf gesteckt hat, haben sich nicht lange gehalten. Die Leute haben wohl gemeint, Fritzl hätte seine Gedanken und seine Erinnerungen darin ausgeschwitzt und sie müssten sie nur in einer Wanne einweichen, damit sie eine Diaschau oder einen Horrorfilm herausholen können.“
    Er rieb sich die Stirn.
    „Einen habe ich sogar dabei

Weitere Kostenlose Bücher