Claustria (German Edition)
diesem Fall. Das Ministerium hat seine Entscheidung damit gerechtfertigt, dass sich schließlich alle siebzehnjährigen Mädchen ähnlich sehen würden.“
Als hätte Österreich sich geweigert, Fritzl eine Bluttat anzuhängen, ihm, der weltweit für ganz Österreich stand.
,,Ich habe nicht alles fotografiert. Da waren auch noch ein Dutzend Artikel über den Tod beziehungsweise das Verschwinden von drei anderen jungen Mädchen im selben Alter. Alle Verbrechen wurden in der Nähe von Fritzls damaligen Wohnorten verübt. Er war geschäftlich viel auf Reisen, selbst nach seiner Pensionierung hielt es ihn nicht an einem Ort. Daher gab es in diesem Zusammenhang auch keinerlei Hinweise auf ihn, man konnte ihn unmöglich verdächtigen. Der letzte Fall hat sich 2007 ereignet – wieder ein junges Mädchen, das missbraucht und dann in einen See geworfen worden war. Ein guter Bericht mit einem Foto von ihr im Badeanzug. Sie hatte eine tolle Figur, an Fritzls Stelle wären vielleicht auch Sie schwach geworden.“
Sein Lachen verlor sich in der Musik, die gerade noch lauter gestellt worden war, damit die Gäste tranken, weil sie sich sowieso nicht unterhalten konnten. Schließlich tauchte der Anwalt seine Heiterkeit in sein Bier, wo sie große Blasen warf, bevor sie ertrank.
,,Ich glaube nicht, dass es diesem Trottel viel Spaß gemacht hat, jemanden zu töten. Aber nach einer Vergewaltigung muss man dem Corpus Delicti wohl oder übel das Maul stopfen, wenn man nicht für zehn Jahre hinter Gitter wandern will.“
Ich stellte mir Fritzl 2007 vor – er nimmt sein Viagra ein, folgt seiner Beute und hofft, dass das Präparat schnell genug wirkt, damit er zustoßen kann.
,,Wissen Sie, alle Opfer hatten Ähnlichkeit mit seiner Tochter. Seit Angelika in der Pubertät aufgeblüht war, war sie die Frau seines Lebens.“
Er bestellte ein weiteres Bier, dann noch zwei.
,,Auf Wiedersehen, Schriftsteller. Auf der Website, die ich vorher angesehen habe, hält man Sie für verrückt. Es wird Ihnen also ohnehin keiner glauben.“
Er versuchte aufzustehen. Sein roter Kopf fiel wie eine Kanonenkugel auf den Tisch. Wie erschlagen von dem Aufprall schlief er ein. Sein Schnarchen war in der Musik nicht zu hören.
Ich ging wieder in mein Zimmer.
Am nächsten Morgen wollte ich ihn anrufen und nach dem Namen des Opfers des letzten Verbrechens fragen, das er Fritzl zuschrieb. Die Dame an der Hotelrezeption ging ans Telefon.
,,Der Anwalt hat sein Handy vergessen. Der Barmann hat es aus seinem Glas gezogen.“
Am Abend erfuhr ich, dass ein bemühtes Paar ihn schließlich vom Sessel hochheben und hinausbringen konnte. Sie setzten ihn in ein Taxi, er ließ sich zu seinem Auto fahren.
Beim Verlassen von Amstetten fuhr er in Gegenrichtung auf die Autobahn auf. Er überfuhr den Mittelstreifen und krachte mit seinem Audi gegen die Balustrade einer Brücke. Unter dem Schaum der Feuerlöscher fand die Feuerwehr ihn tot auf.
Sein Handy wurde am nächsten Tag von einem Kriminalkommissar abgeholt, der extra deswegen aus Wien gekommen war.
Am 19. April 2008 parkt Josef Fritzl seinen Mercedes Kombi auf dem Parkplatz des Klinikums Amstetten. Mit der bis zum Skelett abgemagerten Petra auf dem Arm betritt er das Spital. Aschfahles Gesicht, hervorstehende Äderchen, Augenringe, schütteres Haar, das so aussieht, als wäre es mit einem Messer geschnitten worden, und das ihr am Schädel klebt wie der Flaum an einem Vögelchen nach einem Regenschauer. Der Mund ist ein hellroter Fleck, denn das Blut läuft aus dem Mundwinkel. Der aufgedunsene Bauch sieht aus wie bei afrikanischen Kindern, die seit Langem nichts mehr gegessen haben.
Ein Bub mit einem verletzten Ohr, der neben seiner Mutter auf einem Sessel wartet, fotografiert Fritzls Auftritt mit dem Handy. Fritzl blinzelt im Blitzlicht, geht aber mit unverminderter Geschwindigkeit weiter zur Aufnahmepforte. Die Mutter gibt dem Buben einen Klaps auf die Hand, nimmt ihm das Telefon weg und löscht das Bild.
Die Krankenschwester sieht vom Monitor auf, drückt auf den Knopf der Sprechanlage.
,,Ein Notfall.“
Fritzl legt Petra auf eine Rollliege, die zwei Krankenträger bringen. Man weist ihn ab, als er ihr folgen will. Der Krankenschwester sagt er, er wolle am Spätnachmittag wiederkommen und die Formalitäten erledigen.
,,Das geht nicht, mein Herr.“
Er seufzt, fragt nach, wo er unterschreiben müsse.
,,Wie stehen Sie zu der Patientin?“
,,Ich bin ihr Großvater.“
,,Ich brauche ihre
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