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Claustria (German Edition)

Claustria (German Edition)

Titel: Claustria (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Régis Jauffret
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Spitals tritt.
    ,,Sie ist nicht tot.“
    Ein rascher Krankenbericht.
    ,,Geht es ihr besser?“
    ,,Sie kommt wieder zu Kräften.“
    Er legte sich ins Schlafzimmer, bettete den Kopf auf den Polster. Im Fernsehen lief ein Zeichentrickfilm von Tex Avery. Fritzl stellte ihn lauter und rief Roman. Der Kleine kam, kuschelte sich an ihn. Fritzl streichelte ihm lachend den Kopf, der Kleine lachte auch. Er hatte nie Angst vor seinem Vater gehabt. Fritzl war manchmal sogar zärtlich zu seinem Jüngsten.
    Bei Romans Geburt hatte Fritzl beschlossen, dass er sein Nachfolger werden sollte. Mit Stolz im Blick machte er bei der Polizei diese Enthüllung.
    ,,Dass er im Keller Ihr Nachfolger würde?“
    Wie ein absonderlicher König, der den Prinzen auserwählt, der seine Schwester befruchten soll, in einem Land, in dem es keine anderen Frauen im gebärfähigen Alter gibt. Die Moral ist ein Hindernis, das man lässig überspringt, damit eine Familie nicht ausstirbt. Fritzls Werk würde nach seinem Tod weiterleben. Der Keller wie ein enges Fürstentum, dessen Untertanen auf- und übereinandersteigen, um Luft zu bekommen.
    ,,Nein, er hätte die Leitung meiner Geschäfte übernehmen sollen.“
    Bevor Fritzl wieder ging, gab er Roman einen Kuss. Er winkte Martin kurz zu; der saß auf dem Klo, das offen neben der Badewanne stand, gegenüber den Kochplatten, dem Kühlschrank, all diesen Geräten und Utensilien in diesem Raum, den sie Küche nannten. Es gab auch einen Trennvorhang, aber sie waren es gewohnt, aufeinanderzuhocken und einander nackt zu sehen. Wie auch sein Bruder und seine Schwester machte Martin sich nie die Mühe, den Vorhang zuzuziehen.
    ,,Der Duft von Scheiße.“
    Diesen Scherz machte Martin gern. Es störte ihn nicht, geräuschvoll zu scheißen, während Angelika damit beschäftigt war, Kartoffeln in eine Auflaufform zu schichten oder mit der peinlichen Sorgfalt einer Chemikerin Kuchen backte. Ein Souverän auf seinem Thron.
    Seit einigen Jahren musste Fritzl unweigerlich stöhnen, wenn er sich bückte, um die Schleusen zu passieren. Wenn er die erste zugesperrt hatte, richtete er sich langsam wieder auf und massierte sich die Lenden, bevor er durch den Mäusetunnel ging.
    Einmal war ihm so ein Schmerz ins Kreuz gefahren, dass er dachte, er müsste hier zwischen zwei Welten eingeklemmt bleiben. Er konnte nicht einmal seinen Arm bewegen, um seinen BlackBerry zur Hand zu nehmen. Er hätte nicht daran gezweifelt, dass Anneliese heruntergekommen und ihm ohne ein Wort zu Hilfe geeilt wäre, wenn er sie angerufen hätte. Oben hätte er ihr dann befohlen, den Vorfall zu vergessen. Und sie hätte gehorcht.

Am nächsten Tag ging er nicht ins Spital. Auf der Suche nach einem weiteren baufälligen Haus fuhr er in und um Amstetten umher. Die genüssliche Spazierfahrt des Jägers auf der Suche nach Beute. Ruinöse Gebäude waren sein Wild. Und die Aussicht auf die großartige Verwandlung von Stein in Gold. Er konnte einen ganzen Tag lang umherstreifen, unverrichteter Dinge zurückkehren und ein paar Tage später mit demselben Enthusiasmus wieder losziehen.
    Um fünfzehn Uhr kam er zurück. Zwei Polizisten warteten im Wohnzimmer. Der eine blickte auf den für den Winter abgedeckten Pool hinaus und fragte sich, ob er sich tatsächlich verschulden wollte, um im hinteren Teil seines Gartens ein Becken ausheben zu lassen – in einer so kühlen Gegend, wo man kaum zwei Monate im Jahr baden kann.
    Er sah Fritzl durch die schmale Tür, die auf den Rasen führte, aus dem Keller kommen.
    Anneliese fürchtete die Polizei fast genauso wie ihr Mann. Sie stand da, fast parallel zu einem alten Schrank. Fritzl kam mit demselben einschmeichelnden Lächeln im Gesicht herein, das nach seiner Verhaftung als Teufelszeichen gelten würde.
    Er warf Anneliese einen prüfenden Blick zu, er konnte sie lesen wie ein Telegramm. Er wusste gleich, dass sie nicht umsonst so verlegen dastand. Nacheinander musterte er die Polizisten.
    ,,Das Spital hat uns benachrichtigt.“
    Der Chefarzt hatte allerdings dazu geraten, die Familie nicht zu verständigen, aus Angst, die verstörte Mutter könne sich weigern, ins Spital zu kommen. Wer die Polizei gerufen hatte, wurde nie geklärt.
    ,,Wir müssten ein paar genauere Fragen stellen.“
    Eine schnelle Befragung. Fritzl wiederholte seine Geschichte von der Enkelin, die er mit einem Brief der Mutter – Mitglied einer Sekte – vor der Tür gefunden hatte. Die Polizisten schienen dieses Märchen zu schlucken.
    ,,Die Ärzte

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