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Claustria (German Edition)

Claustria (German Edition)

Titel: Claustria (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Régis Jauffret
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kommentarlos ein.
    Eine Stunde später verließ ich angesäuselt das Bordell. Nina hatte es satt, im Auto zu sitzen, und ging vor einem Abbruchhaus auf und ab.
    ,,Was haben Sie denn die ganze Zeit gemacht?“
    ,,Man hat mir Champagner für zweihundert Euro eingeflößt.“
    ,,Konnten Sie den Mädchen Fragen stellen?“
    ,,Wenn ich den Mund aufgemacht habe, sagten sie immer nur: trinken, trinken!“
    ,,Der Besitzer spricht bestimmt Englisch.“
    ,,Keine Ahnung. Wenn ich mit ihm reden wollte, hat er ein Mädchen zu mir herübergeschoben.“
    Nina ist noch heute der festen Überzeugung, dass ich außer Champagner dort noch etwas anderes konsumiert hätte.
    Die Mädchen hatten Angst vor Fritzl. Sobald er auftauchte, flüchteten einige in eine Kammer hinter der Bar, wo Flaschen gelagert wurden. Sie warteten, bis er mit einem anderen Mädchen hinaufgegangen war, dann kamen sie wieder aus ihrem Versteck.
    Die Frauen über dreißig hatten das nicht nötig. Fritzl nahm immer eine ganz junge. Er ging mit ihr in den Kerker, einen fensterlosen Raum, der für SM-Spielchen reserviert war und wo er eine Vergewaltigung nachspielte.
    Eine Art Rekonstruktion seiner früheren Großtaten. Das Mädchen musste Jeans und T-Shirt tragen, das Haar lösen und sich vor der Sitzung abschminken. In gedämpftem Licht musste es im Zimmer auf- und abgehen. Fritzl stellte sich mit dem Rücken zur Wand in eine Ecke.
    Er stellte die Stoppfunktion an seiner Armbanduhr ein. Er gab sich drei Minuten, dann näherte er sich der jungen Frau. Sie musste stehen bleiben, Panik bekommen, er ließ ihr Zeit, panisch zu werden. Sein Vergewaltigergesicht trug er wie eine Maske. Unbewusstes Lächeln, hohle Wangen, die Stirn glatt wie ein Knochen, zwei kleine funkelnde Augen, starr, eingefasst in dunkle Lider.
    Derselbe Blick, der in diesem Steingesicht lebendig zu sein schien, das Lou Blort unter der Lampe des Bootshauses sah, wo Fritzl sie mit Gewalt entjungferte. Er hatte sie am Ufer des Mondsees geschnappt, wo sie im Ferienhaus ihrer Großeltern Urlaub machte.
    Ein Gesicht im Gegenlicht der Mondsichel, als er sie nach ihrer von den herabgezogenen Jeans verhinderten Flucht aufs feuchte Gras drückte. Er hatte sie laufen lassen, weil es ihm Spaß machte, zu warten, bis sie zu Boden fiel. Seine Augen auf ihr, als sie spürte, wie sie unter seinen Händen starb. Auch nachdem sie bereits tot war, drückten diese Hände ihr den Hals noch weiter zu.
    Die Leiche ließ er liegen, verwirrt kehrte er zum Gasthof zurück. Er goss einen Krug kalten Wassers über seinen brennenden Oberkörper. Die Angst, gefasst zu werden, überkam ihn wie Fieber. Er wartete bis halb fünf am Morgen, bis er den Mut fand, zurückzugehen. Ein zitternder Mann mit vor Angst zusammengeschrumpftem Glied in dieser Unterhose voll mit Sperma und dem geronnenen Blut der Jungfrau. Er zog das tote Mädchen auf den Holzsteg, der bereits steife Leichnam rutschte ins Wasser. Am nächsten Tag tauchte er zwischen zwei Badenden wieder auf.
    Wenn die Mädchen vor Fritzl hin und her gingen, schaffte es keine, die innere Distanz einer Schauspielerin zu wahren. Wenn er anfing, gewalttätig zu werden, stürzten sie zum Alarmknopf. Doch er drückte sie gleich auf den Boden und fickte sie rasend. Wenn er sich dann wieder aufrichtete, stolz das Kondom mit seinem schönen Samen zuknotete, den er durch das durchsichtige Gummi hindurch betrachtete wie ein Winzer die Farbe des neuen Beaujolais im Probierglas, blieb das Mädchen völlig fertig liegen, eine bezwungene Beute, die sich tot stellte, um nicht den Gnadenstoß zu bekommen.
    An einem Nachmittag im März 1999 rannte ein Mädchen die Treppe hinunter auf die Straße. Der Patron, die Mädchen und zwei Freier, die beim Bier saßen, konnten sie wieder einfangen. Sie versuchten, ihr klarzumachen, dass der Mann kein Verbrechen begangen hatte, dem sie entkommen war. Sie ging zur Polizei, aber die Beamten lachten nur über die Geschichte einer Nutte, die in einem Bordell vergewaltigt worden war.
    Dennoch wurde Fritzl in der Villa Paris zur Persona non grata. Er war gezwungen, in der Umgebung von einem Puff zum anderen zu ziehen, denn wenn sich zu viele Mädchen beschwerten, bekam er Hausverbot.
    Um sein Verlangen nach Prostituierten zu stillen, schöpfte er begierig aus der Pharmazeutik. Sobald ein neues Excitans auf den Markt kam, lief er zu seinem Arzt.
    ,,Sie haben ein kräftiges Herz, nehmen Sie es aber trotzdem nicht zu oft. All diese Medikamente gab es vor zehn Jahren

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