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Claustria (German Edition)

Claustria (German Edition)

Titel: Claustria (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Régis Jauffret
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Erziehungsmethode angezeigt hatte.
    Fritzl wurde vorgeladen.
    ,,Dieses Kind war schon immer verrückt.“
    Eine Hausdurchsuchung wurde nicht angeordnet. Da bereute Fritzl es, dass er das Gewehr damals weggeworfen hatte.
    Die Lehrer sagten nichts, wenn die Kinder mit einem blauen Auge in die Schule kamen, mit einer aufgeplatzten Lippe, blauen Flecken an den Armen, noch immer roten Stellen an den Schienbeinen, wo Fritzl sie am Morgen erst getreten hatte. Bei den medizinischen Untersuchungen in der Schule achtete der Arzt auf den leisesten Husten, das geringste Herzklopfen, schlecht sitzende Zähne, die eine kieferorthopädische Behandlung notwendig machten, ja sogar auf Aknepickel, die für die Statistiken des Gesundheitsministeriums gezählt wurden wie Münzen. Aber vierzig Jahre lang sahen diese Ärzte mehrere Generationen von Fritzls in Unterhosen vorbeiziehen, ohne jemals auch nur einen einzigen blauen Fleck oder eine Beule zu bemerken.
    In ihrer Jugend hatte Angelika sich oft ihrer besten Freundin anvertraut. Barbara Drandle wurde dreißig Jahre später von der BBC interviewt.
    ,,Er schlägt hart zu. Eines Tages wird er uns umbringen.“
    ,,Er hat versucht, mit mir zu schlafen.“
    ,,Er hat mich vergewaltigt.“
    ,,Ich will sterben!“
    ,,Wenn er doch nur sterben würde!“
    ,,Ich würde ihn am liebsten umbringen.“
    Mit siebzehn hatte sie ihrem Freund gegenüber ihre Mordlust wiederholt. Sie war nie so weit gegangen, einen Plan auszuarbeiten, aber sie war die Einzige von ihren Geschwistern, die sich wehrte, wenn ihr Vater die Hand gegen sie erhob. Als er sie einmal verprügelte, packte sie eine Flasche und bedrohte ihn damit, wie sie es in einem Thriller bei einer Frau gesehen hatte, die in New York auf der Straße angegriffen worden war. Zur Strafe hatte sie einen Tritt mit dem Schuh in den Bauch bekommen und eine Ohrfeige, die sie gegen die Mutter geschleudert hatte – Anneliese war manchmal bei den Prügeleien dabei und riet ihrer Tochter leise, den Schlägen nicht mehr länger auszuweichen.
    ,,Er ist dein Vater, er weiß, was er tut.“
    Drei Monate bevor er sie in den Keller sperrte, hatte er sie k. o. geschlagen – so problemlos wie ein Schwergewicht ein Weltergewicht verdrischt –, als sie spät nach Hause gekommen war und nach Bier gerochen hatte. Er hatte sie auf dem Boden liegen lassen und war nach Linz zur Arbeit gefahren.
    Anneliese traute sich erst, sich ihrer Tochter zu nähern, als sie Fritzls Auto um die Ecke biegen hörte. Damit Angelika wieder zu sich kam, gab sie ihr Klapse auf die Wangen, die sich anhörten wie Ohrfeigen. Sie zog sie am Ohr und schaffte es, sie wieder hochzubekommen, dann schlug sie sie auf den Po wie ein kleines Kind.
    Anschließend wurde Angelika so angebrüllt, dass ihr Gesicht voller Speicheltröpfchen war.
    ,,Dein Vater hat vollkommen recht. Du führst dich auf wie eine Nutte. Du nimmst keinerlei Rücksicht auf ihn. Wenn er dich schlägt, musst du still sein, das ist eine Frage des Respekts. Hättest du ihn nicht beleidigt, hätte er dich niemals in diesen Zustand versetzt. Ich sperre dich jetzt in dein Zimmer ein. Und wenn er zurückkommt, entschuldigst du dich bei ihm.“
    ,,Nein.“
    Drei Schläge und eine Kopfnuss mit dem Handrücken, um sie zur Einsicht zu bringen.
    ,,Ich habe genug von den Freiheiten, die du dir nimmst, um nicht gehorchen zu müssen. Wer sich benimmt wie eine läufige Hündin, muss an die Leine genommen werden. Es kotzt mich an, dass du bald achtzehn wirst. Ich will nicht, dass du volljährig bist.“
    Wieder Prügel. Angelika konnte entkommen. Sie kehrte erst am nächsten Morgen zurück, nachdem Fritzl nach Linz gefahren war. Sie bereute es noch lange, dass man sie aufgegriffen hatte, nachdem sie einige Wochen zuvor, als Minderjährige noch, abgehauen war. Ein schwerer Fehler, der sie mehr Jahre kosten sollte, als sie bis dahin überhaupt gelebt hatte.

Fritzl verkehrte im Bordell von Amstetten. Ein kleines Etablissement am Stadtrand, geschützt vom Gesetz. Ein rosarotes Gebäude namens Villa Paris .
    Eines Abends im Juni 2009 klingelten wir. Eine Frau in einer lachsroten Charmeuse aus Seide öffnete uns. Sie taxierte Nina.
    ,,Sind Sie eine Transe?“
    ,,Nein, ich bin eine Frau.“
    ,,Hier kommen keine Frauen rein.“
    ,,Aber Sie sind doch auch eine Frau.“
    Sie schlug die Tür zu. Nina erklärte mir, dass Kundinnen hier unerwünscht seien.
    ,,Sie müssen ohne mich reingehen.“
    Nina wartete im Auto. Ich klingelte erneut. Die Frau ließ mich

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