Claustria (German Edition)
sie die Wohnung durchsucht hatte, nachdem Fritzl ihr das Geld für einen neuen nicht geben wollte. So hatte er ohne Vorankündigung und ohne Umschweife Zugang zu ihrem Körper. Heimlich steckte er ihr den Finger in die Scheide wie einen Angelhaken in ein Fischmaul.
Sie war wie nackt. Dieses straffe Fleisch unter dem Stoff.
,,Ich hatte das Gefühl, ein kleines Tier zu sein, das er mit einem Happen hätte verschlingen können.“
Fritzl erwiderte:
,,Ich habe mich damals zurückgehalten. Ich habe angefangen, mit dir Liebe zu machen, als du im Keller warst.“
,,Vergewaltigung – das nennst du Liebe machen?“
Er antwortete nicht. Magister Gretel schlug in die Kerbe.
,,Das ist eine weit verbreitete Umschreibung für den Koitus.“
Die Vorsitzende Richterin setzte die Sitzung für eine Pinkelpause von einer Viertelstunde aus.
Oft reichte es ihm, Angelika gehen, laufen, sich auf den Schulweg machen zu sehen. Wenn sie um die Ecke gebogen war, glaubte sie sich außer seiner Reichweite, doch er hatte sie bereits mit dem Blick aufgespießt und in das Loch geworfen, wo ihre imaginäre Doppelgängerin in der Dunkelheit schrie, wenn sie die Tür zuschlagen hörte.
Während des Unterrichts hatte sie Angst vor den Fensterscheiben, die funkelten wie Augen, und wenn sie den Reißverschluss ihres Federmäppchens aufzog, meinte sie, Penisse zu sehen, die durcheinanderwuselten wie ein Knoten Vipern. Fußball konnte sie nicht mehr ausstehen, genauso wenig wie all die anderen Bubenspiele, bei denen man irgendwann immer aneinanderstieß.
Mit dreizehn Jahren war sie keine Jungfrau mehr. Vor einigen Monaten hatte das Glied ihres Vaters die Arbeit verrichtet. Kein Blut. Das war viele Monate zuvor geflossen, als er mit seinen dicken Fingern ihr Hymen durchstochen hatte.
Er kam weiterhin jede Nacht, aber nun schlief sie nur noch so leicht wie ein Wachmann. Das leiseste Knarren weckte sie. Dann sah sie ihn vor ihrem Bett stehen im Licht der Nachtkästchenlampe, die sie aus Angst vor der Dunkelheit wieder anschaltete, wenn Anneliese ihren Rundgang durch die Kinderzimmer beendet hatte und selbst ins Bett gegangen war. Fritzl machte sich nicht die Mühe, sie auszuschalten, so intensiv war die Lust, zu sehen und gesehen zu werden. Wenn er abgespritzt hatte, ließ er sie allein. Auf der Haut blieben die Abdrücke seiner Pranken und blaue Flecken von den Schlägen zurück.
Manchmal wehrte sie sich und, wenn möglich, biss sie zu, wie ein schlecht abgerichteter Hund. Ihr Gefuchtel, ihr Geschrei erinnerten ihren Vater genüsslich daran, dass er tatsächlich gerade dabei war, sie zu vergewaltigen. Eine häusliche Vergewaltigung in der Familie; Mutter und Geschwister schwiegen mitschuldig, willenlos, denn ein jeder konnte sichergehen, dass Fritzl sich während Angelikas Opferung nicht an ihm verging.
Tagsüber jagte er sie zum Spaß. Ein Bauer, der gern hinter seinen im Garten umherstolzierenden Hennen herlief, bevor er ihnen den Hals umdrehte, anstatt sie einfach so im Hühnerstall kaltzumachen. Er war überall, ständig erahnte sie ihn im Schatten. Er versteckte sich oder tauchte plötzlich aus der Menschenmenge auf, ein kleiner Passant, der immer größer wurde, auf sie zukam, sie lächelnd an der Hand nahm und wegführte wie ein Vater.
Die Badezimmertür war so steinalt wie alle anderen Türen im Haus. In der Mitte hatte sie einen Riss, der verhängt wurde, man musste sie fest zuschlagen, damit sie überhaupt schloss.
,,Ich habe die Nase voll von dieser verzogenen Tür.“
Anneliese hatte die Fähigkeit, weder Schmutz noch Verfall zu sehen.
,,Aber es ist doch eine gute Tür.“
,,Ich werde eine andere einsetzen.“
Ein Liebhaber von Türen, Deckeln, Geheimtüren. Die Tür wurde ausgehängt, zerlegt und im Garten verbrannt. Zwei Wochen lang blieb ein klaffendes Loch.
Anneliese kümmerte das nicht, denn sie hielt sich nur selten in diesem Raum auf, sie benutzte lieber das vergilbte Waschbecken in der Toilette neben dem Schlafzimmer. Bevor Angelika duschen ging, sah sie in der Garage nach dem Auto ihres Vaters, um sicher zu sein, dass er nicht zu Hause war.
Er merkte es. Eines Tages tauchte er trotzdem in der Türöffnung auf, der Gang hinter ihm war dunkel. Eine flüchtige Erscheinung, die genauso schnell wieder verschwand, wie sie gekommen war. Nur so lange, um ihr den Beweis zu liefern, dass er die Gabe der Allgegenwärtigkeit besaß.
Eines Samstagmorgens stellte die Familie fest, dass statt einer Tür in der Nacht ein
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